SWR2 Wort zum Tag

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Eine Mischung aus Trost und Trotz würde seine Lieder auszeichnen, hat einer gemeint. Eine notwendige Mischung: Denn Trost ohne Trotz sei weinerlich, Trotz ohne Trost würde verbittern. Die Rede ist von den Liedern Paul Gerhardts, der am 12. März vor vierhundert Jahren geboren wurde.
Wie sehr Paul Gerhardt selbst auf Trost angewiesen war, zeigt schon ein kurzer Blick auf seine Biographie: Mit 12 Jahren hat er seinen Vater, mit 14 seine Mutter verloren. Erst mit 48 Jahren hat er seine erste Pfarrstelle antreten können, dann erst war eine Heirat möglich. Von fünf Kindern hat aber nur ein Sohn die Eltern überlebt. Seine Frau starb nach dreizehnjähriger Ehe, kurz nachdem er sein Amt an der Berliner Nikolaikirche verloren hatte, weil er aus Gewissensgründen eine vom Landesherrn verlangte Unterschrift verweigert hatte. Paul Gerhardt hat die Schrecken des dreißigjährigen Krieges, das Leiden der Menschen erlebt und selbst den von den Eltern ererbten Besitz verloren. Sein Weg, den er gehen musste, führte, wie es in einem Lied heißt, durch so viel Angst und Plagen, durch Zittern und durch Zagen, durch Krieg und große Schrecken, die alle Welt bedecken. Er war selbst trostbedürftig und konnte doch wunderbar trösten, z.B. in dem Lied, das Theodor Fontane „das große deutsche Tröstelied“ genannt hat: Befiehl du deine Wege und was dein Herze kränkt, der allertreusten Pflege des, der den Himmel lenkt. Der Wolken, Luft und Winden gibt Wege, Lauf und Bahn, der wird auch Wege finden, da dein Fuß gehen kann.
Er konnte trösten, weil er sich selbst trösten ließ und dann den Trost, den er selbst empfing, allen Leiden trotzig entgegensetzte. Zum Beispiel in dem Lied: Ist Gott für mich, so trete alles wieder mich; sooft ich ruf und bete, weicht alles hinter sich. Hab ich das Haupt zum Freunde und bin geliebt bei Gott, was kann mir tun der Feinde und Widersacher Rott. Paul Gerhardt legt in diesem Lied einen Abschnitt aus dem Römerbrief des Paulus aus. An dessen Ende heißt es: Nichts kann uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Jesus Christus ist, unserem Herrn. Trotzig vertraut der Dichter so vieler tröstlicher Lieder darauf – gegen alle Leiderfahrungen. Mit diesem Vertrauen konnte er sich auch trotzig auf sein Gewissen berufen, an seinem Glauben festhalten und sich seinem Landesherrn widersetzen, auch wenn ihn das seine Stelle gekostet hat. Trost und Trotz gehören wirklich zusammen. Macht dies die Wirkung seiner Lieder bis heute aus? Sicher wirken sie auch, weil sie von hoher sprachlicher Qualität sind. Auch weil sie von zwei kongenialen Kantoren an der Nicolaikirche in Berlin vertont wurden. Vor allem aber, weil in ihnen immer wieder der Kern der biblischen Botschaft und der Grund für Trost und Trotz in Liedform gebracht wird. Und der heißt: Wir sind geliebt!
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