SWR2 Wort zum Tag

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Kannst Du denn nicht hören?! Diesen zornigen Aufschrei kennen alle geplagten Eltern, deren heranwachsende Kinder wieder einmal überhört, vergessen oder bewusst ignoriert haben, was ihnen gesagt worden war. Aber nicht nur Heranwachsende tun sich mit dem Hören schwer. Bekannt ist, dass wir alle am ehesten hören, was uns in unseren Überzeugungen bestätigt, was wir wollen. Was unserem Denken und Wollen nicht entspricht, rauscht an unseren Ohren vorbei oder wir verdrängen und vergessen es. Selektives Hören, wird das dann genannt. - Manchmal können wir etwas nicht mehr hören: nichtssagende Floskeln, falsche Versprechungen, vor allem bedrückende Nachrichten über nicht endende Krisen. Wir verschließen die Ohren. In einer Art Selbstschutz verdrängen und vergessen wir, was uns ärgert oder belastet. – Manchmal vergessen wir, was wir gehört oder sogar gelernt haben; es hinterlässt kaum mehr Spuren bei uns. Man kann z.B. staunen, wie wenig Jugendliche, die jahrelang Religionsunterricht erhalten und einen guten Konfirmandenunterricht besucht haben, am Ende vom christlichen Glauben und Glaubenstraditionen wissen. Ein Hauptgrund dafür liegt wohl darin, dass das Gehörte und Gelernte keinen Raum in ihrem Leben gefunden hat. Dies wiederum ist schwer möglich, wenn es die gleiche Leerstelle auch in ihrer Umgebung gibt und ihnen keine Menschen begegnen, die erkennbar in ihrem Glauben leben.
Aber das Hören kann auch gelingen. Und das kann dann große Wirkungen haben: Ein trauriger Mensch hört ein tröstliches Wort und kann wieder hoffen. Ein Verzweifelter hört auf einen guten Rat und wagt erste Schritte aus seiner Niedergeschlagenheit. Ein Mensch, der einem anderen Unrecht getan hat, hört, dass ihm verziehen ist, und fühlt sich wie befreit. Menschen hören vom Elend anderer, von der Bedrängnis einer Migrantenfamilie, von einer Katastrophe, die Menschen alles genommen hat, was sie besaßen und werden angerührt, setzen sich ein, helfen. – Das Hören kann gelingen. Damit rechnet auch Paulus, wenn er im Römerbrief sagt: Der Glaube kommt aus dem Hören. Dass aus dem Hören Glaube wird, ist allerdings nicht selbstverständlich. Das Gehörte muss zu Herzen gehen. Wer Ohren hat zu hören, der höre, hat Jesus darum seinen Zuhörern immer wieder zugerufen. Das ist eine Aufforderung, doch nicht weg zu hören. Es ist zugleich aber auch Ausdruck des Vertrauens, dass Menschen hören können, dass es ihnen gegeben wird zu hören und zu verstehen. So geschieht es immer wieder, bis heute: Ein Wort der Bibel spricht in einer besonderen Lebenssituation so zu einem, dass man begreift: damit bin jetzt ich gemeint. Ein Gottesdienst oder das Wort eines Mitchristen trifft oder tröstet einen so, dass man das Gehörte mitnimmt und es Vertrauen stärkt oder das Verhalten verändert. Gott spricht zu uns, und das Gehörte bekommt Raum im Leben und formt es.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=706
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