SWR2 Wort zum Tag

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Etwa jedes zehnte Kind in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz lebt von Hartz-IV. In Berlin ist es jedes dritte Kind. Solche Zahlen will ich nicht nur zur Kenntnis nehmen. Denn Hartz-IV heißt ganz unverblümt formuliert: Kinder wachsen unter ärmlichen Bedingungen auf. Ein Beispiel? Der Regelsatz für Kinder sieht pro Monat ganze 62 Cent für Spielsachen vor. 62 Cent. Damit lässt sich selbst auf einem Basar kaum ein Spiel kaufen. Geschweige denn etwas größeres.
Jetzt befasst sich das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe mit den Zahlungen für Kinder in Hartz-IV-Haushalten. Die Richter haben schon angedeutet, dass sich die geltenden Regelungen nicht mit der Verfassung vereinbaren lassen. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf der Frage: Sind Kinder kleine Erwachsene? Denn was der Gesetzgeber für Hartz-IV-Kinder berechnet, leitet sich allein aus dem Regelsatz für Erwachsene ab. Und da Kinder klein sind, kriegen sie in Hartz-IV etwa 70 bis 80 Prozent der Leistungen, die es für die Großen gibt. Mit grotesken Folgen. Säuglingen stehen statistisch gesehen knapp 12 Euro für Tabak und Alkoholika zu – aber kein einziger Cent für Windeln.
Nur ein Beispiel für weltfremde Bürokratie? Ich glaube, dass die Diskussion um Hartz-IV mehr zeigt. Sie zeigt, wieder einmal, wie wenig unserer Gesellschaft Kinder wert sind. Vor allem die Kinder am Rand der Gesellschaft. Und ich will mich damit nicht abfinden. Gerade auch aus dem Glauben heraus. In einem biblischen Text sagt Jesus: Lasst die Kinder zu mir kommen. Und er sagt das in einem Zusammenhang, der heute noch aktuell klingt. Da redet dieser Jesus nämlich mit Erwachsenen. Und da kommen Kinder an, wollen auch was von diesem Jesus haben. Aber die Jünger drängen sie ab. Nein, mit Kindern soll ihr Jesus nicht belästigt werden. Aber der sieht das ganz anders: Lasst die Kinder zu mir kommen. Jesus macht hier die Kinder groß – aber er macht keine Erwachsenen aus ihnen. Im Gegenteil: Er gibt ihnen Wert, lässt sie als Kinder etwas wert sein.
Sicher: Damit lässt sich nicht berechnen, wie viel Kindern in unsere Gesellschaft zustehen soll. Und dass Sozialleistungen auch solide finanziert sein sollen, ist ja klar. Aber ich frage mich: Muss trotz alledem nicht noch deutlicher werden, dass uns Kinder etwas wert sind, dass sie etwas zählen? Und dass wir alle dafür zahlen. Ganz besonders wenn diese Kinder am Rand der Gesellschaft stehen. Um ihnen Chancen zu geben, in unserer Gesellschaft anzukommen. Um sie in die Mitte zu stellen, wie Jesus das getan hat.

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