SWR2 Wort zum Tag

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Da haben wir es endlich schwarz auf weiß: Glauben macht meistens gesund. Neue Studien, eben nicht von Theologen, sondern von Wirtschaftswissenschaftlern und Psychologen, bestätigen das eindrucksvoll. Gläubige Menschen leben zufriedener und länger. Sie trinken und rauchen weniger, konsumieren seltener Drogen, fahren umsichtiger Auto, gehen regelmäßiger zum Zahnarzt und haben seltener AIDS. Und nicht nur in Deutschland. Eine der Studien etwa beruht auf Umfragedaten in 145 Ländern der Erde. Eine seriöse Statistik. Es lässt sich also als wissenschaftlich abgesicherte Tatsache festhalten: Wer glaubt, lebt gesünder.
Aber bevor jetzt Christen, Muslime, Juden, Buddhisten und alle anderen Glaubenden in großen Jubel ausbrechen, sei die Frage erlaubt: Woran liegt das eigentlich? Auch hier halten Wissenschaftler eine plausible Antwort bereit. Religiöse Menschen denken meistens außergewöhnlich viel über ihr eigenes Verhalten nach. Sie überprüfen es regelmäßig, setzen sich also mit sich selbst auseinander. Glaube macht also gesünder, weil glaubende Menschen ein höheres Maß an Selbstreflexion und zugleich an Selbstdisziplin besitzen. Klar: dafür gibt es ja auch in fast allen Religionen die entsprechenden Bräuche und Riten. Etwa Fastenzeiten und regelmäßige Gebetszeiten. Das leuchtet ja ein: Wer fasten kann, dem wird es möglicherweise leicht fallen, in der Innenstadt an der Würstchenbude vorbeizugehen und lieber später etwas Gesundes zu essen. Doch die gesunde Wirkung der Religion geht weiter. Etwas salopp formuliert: Wer fasten kann, dem fällt es auch leichter, nicht alle Wünsche unmittelbar umsetzen zu wollen. Zu warten, wenn etwa das Geld nicht reicht. Und nicht alles sofort und jetzt besitzen zu müssen. Und wer sich Sonntagmorgens aus dem Bett schält um in den Gottesdienst zu gehen, dem fällt es sicher leichter, auch im Job feste Zeiten zu respektieren.
Aber, jetzt kommt das große Aber: Es geht leider auch andersherum. Religion macht nicht nur gesund, sie hat auch eine dunkle Seite. Die Geschichte lehrt das. Was und Wer ist nicht alles im Namen der Religion und des Glaubens unterdrückt, geknechtet und getötet worden.
Und nicht nur Fundamentalisten impfen ihren Schäfchen Schuldkomplexe ein und erziehen sie zur Unselbstständigkeit.
Glaube macht also nicht automatisch gesünder. Aber gerade diese Einsicht eröffnet eine neue, wichtige Frage: Was glaube ich eigentlich? Und warum verhalte ich mich deswegen so und nicht anders? Für mich sind die Studien über den gesunden Glauben vor allem Anlass zur Selbstreflexion, über mich und meinen Glauben. Dass das nicht automatisch ungesund ist, finde ich allerdings ziemlich beruhigend.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=7020
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