SWR3 Gedanken

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Die Wahlen vor gut vier Wochen waren gerade vorbei, da ging sie bei den Wahlverlierern schon los, die Suche nach den Schuldigen. Irgendjemand muss ja schließlich Schuld haben, wenn ein Malheur passiert. Böcke und Sündenböcke war denn auch ein Kommentar zur Wahl viel sagend überschrieben.
Sündenböcke. Das Wort stammt eigentlich aus der Frühzeit der jüdischen Religion. Damals wurde einmal im Jahr am so genannten Versöhnungstag ein Ziegenbock ausgewählt. Auf ihm lud der Hohepriester dann symbolisch alle Verfehlungen ab, die die Menschen sich im Laufe des Jahres hatten zu Schulden kommen lassen. Anschließend wurde das Tier in die Wüste gejagt und seinem Schicksal überlassen. Die Verfehlungen und Sünden der Menschen aber, die hatte der Bock nun symbolisch mit genommen.
Genau das aber meinen wir ja nicht, wenn wir heute menschliche Sündenböcke suchen. Entlasten sollen sie zwar uns immer noch, aber nicht von eigener Verantwortung. Entlasten viel mehr von der Mühe, akribisch nach den wirklichen Ursachen eines Problems zu suchen. Entlasten vor allem von der lästigen Frage, ob ich nicht doch eine Mitverantwortung dafür haben könnte. Der moderne Sündenbock ist ein dankbares Ventil, wenn die wirkliche Antwort zu unangenehm oder kompliziert erscheint. Er entlastet auch vom eigenen Denken, ist immer ein Sieg des Irrationalen über die Vernunft. So waren und sind es immer wieder die Anderen, die Juden, die Ausländer, die Schwulen, oder wer auch immer, die als Sündenböcke für gesellschaftliche Missstände herhalten müssen. Gut nur, dass die, die damit auf Stimmenfang gehen wollten, krachend verloren haben. Zumindest dieses Mal.

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