SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Wenn ich als Christ von Gottesbildern spreche, dann muss ich von Jesus Christus sprechen. „Jesus Christus ist das Bild des unsichtbaren Gottes“, lese ich beim Apostel Paulus (2 Kor 4,4; Kol 1,15). Der Gott unseres Glaubens ist kein „Gott der Philosophen und Gelehrten“, sondern „der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, der Gott Jesu Christi“. So hat es der Philosoph Blaise Pascal einmal gesagt. Er ist ein Gott, der Menschen in ihrem Leben und in ihrer Geschichte begegnet – ja noch mehr: ein Gott, der uns in einem Menschen begegnet, in Leben und Geschichte Jesu von Nazareth.
Gott ist Mensch geworden, sagt der christliche Glaube. Wenn wir wissen wollen, wie Gott ist, müssen wir die Erzählungen und Glaubenszeugnisse über Jesus von Nazareth lesen und hören, den menschlichsten der Menschen. Da erfahren wir nichts von einem unnahbaren oder strafenden Gott. Da begegnet vielmehr ein Mensch, der heilend und heilsam mit anderen umgeht, der nicht verurteilt, sondern vergibt. Der gerade die Nähe derer sucht, die ansonsten abgeschrieben sind. Da begegnet ein Mensch, der die Friedfertigen selig preist, der nicht Gleiches mit Gleichem vergilt, sondern dem Hass in Liebe standhält. Der verwundbar ist und sich verwunden lässt – bis hin zu einem einsamen und elenden Tod.
In diesem liebenden, sich verschenkenden, verwundbaren Menschen, so sagt der biblische Glaube, begegnet uns ein liebender Gott, der sich berühren lässt von der Not der Menschen und sich verwunden lässt von ihrer Schuld. Nicht allmächtig zeigt er sich, sondern ohnmächtig. Auch den Tod teilt er mit uns Menschen, damit uns keine noch so tödliche Macht das Leben entreißen kann. „Wer mich sieht, sieht den Vater“, sagt Jesus.
Und noch etwas: In Jesus von Nazareth wird auf vollendete Weise sichtbar, was das heißt: der Mensch ist Ebenbild des unsichtbaren Gottes. Jeder Mensch. Wer Gott finden will, muss nach den Menschen suchen, den Menschen in all ihren Schwierigkeiten; nach den guten und angenehmen ebenso wie nach den lästigen und unansehnlichen, nach den Glücklichen und nach den Bedrohten und denen mit zerstörter Existenz. Und wer bereit ist, sich für Menschen zu öffnen, in dieser Vielfalt, der vermag die Nähe des verborgenen Gottes zu ahnen.
Der Mensch ist in vielem ein unergründliches Rätsel, wunderbar und allzu oft auch erschreckend. Und er ist – wenn wir das wirklich ernst nehmen – in all seiner Rätselhaftigkeit Gottes Ebenbild. Verstehen wir das jemals? Ob wir nach Gott fragen oder nach dem Menschen, dem Bild Gottes – es ist manchmal gut, vor dem Geheimnis zu schweigen.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=6937
weiterlesen...