SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Wenn ich meinen Glauben an Gott mit einem einzigen Wort beschreiben sollte, dann hieße dieses Wort: Freiheit. Der Gott, an den ich glaube, der Gott der Bibel, der Gott Jesu Christi: Er ist ein Gott, der Freiheit schenkt und in die Freiheit ruft. Er selbst ist Freiheit in unendlicher und unsagbarer Fülle.
Ein großes Wort, ich weiß. Keineswegs werde ich ihm immer gerecht, wenn ich aus Angst heraus handle, wenn ich inneren und äußeren Zwängen unterliege, wenn mich Zukunftssorgen beherrschen, wenn ich anderen Menschen mit Vorbehalten und Vorurteilen begegne. Und keinesfalls hat sich die Kirche immer als ein Ort erwiesen, an dem die Freiheit lebendig ist. Und sie tut es bis zum heutigen Tag nicht. Unfreie Menschen, unfreie Christen haben allzu oft das Bild eines Gottes geprägt, den Friedrich Nietzsche einmal als „Gefängniswärter“ bezeichnet hat. Allzu viele Menschen haben unter Gottesvorstellungen gelitten, die ihr Leben geknechtet und verdüstert haben.
Und doch halte ich daran fest: Freiheit ist einer der Namen Gottes. Für mich ist dabei ein Wort des Apostels Paulus wichtig: „Gott ist Geist“, sagt er, und fügt dann hinzu: „Wo aber der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit.“ (2 Kor 3,17) Ich möchte nicht darüber spekulieren, wie eine Kirche aussehen könnte, für die dieses Wort bestimmend ist. Ich frage mich vielmehr, was es für mein Leben bedeuten könnte, dass dieser göttliche Geist der Freiheit in mir lebendig sein will. Ich will es mit den Worten versuchen, die ich einmal im Tagebuch des Malers Dieter Frank gefunden habe: „Ein im großen und ganzen angstfreier Mensch“ wolle er sein, schreibt er. Anders gesagt: Ich wünsche mir, dass ein grundlegendes Vertrauen mich dem Leben und den Menschen begegnen lässt. Angst und Misstrauen beengen die Freiheit. Ich weiß: Es ist oft schwer, dem Anderen zuzugestehen, einfach er selbst zu sein, so wie ich es für mich auch in Anspruch nehme. Ich traue mir ja manchmal selbst nicht über den Weg, weil ich besser als jeder andere meine Schwächen kenne und weiß, wie unfrei ich mich oft verhalte. Und was das Leben, ja der morgige Tag mir bringen wird – auch das weiß ich nicht. Das Zukünftige ist dunkel und hell zugleich, es ist ungewiss; und es enthält immer auch die Chance geglückten Lebens. Ich wünsche mir die Freiheit, mit Vertrauen in das stets neue Morgen aufzubrechen und es anzunehmen, weil mir in jedem Augenblick des gelebten Lebens der verborgene Gott begegnen will.
Glauben – heißt das nicht, das Leben Gott anzuvertrauen, der Freiheit ist und mich in die Freiheit führen will? Ich schließe mit einem Wort aus den Psalmen, den Liedern der Bibel: "Er führte mich hinaus ins Weite", lese ich dort. Und: "Du schaffst meinen Schritten weiten Raum." (Ps 18, 20a.37a)

https://www.kirche-im-swr.de/?m=6936
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