Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Meine beiden Töchter sitzen vor dem Fernseher und schauen die Weltmeisterschaften der Leichtathletik. Weitsprung, Hochsprung, Hürdenlauf und Hammerwerfen. „Wusste gar nicht, dass ihr euch dafür interessiert“, sage ich und setz mich mit aufs Sofa. „Das ist total spannend“, sagt die Ältere. Und die Jüngere sagt: „Wenn die gewinnen, die freuen sich so irre, die schmeißen sich manchmal auf den Boden, umarmen das Publikum, weinen vor Freude“.

„Papi, guck mal, einige bekreuzigen sich, bevor sie loslegen. Warum machen die das?“ „Tja, sage ich, die sind super konzentriert und außerdem wissen sie, dass nicht alles aus ihnen selbst kommt. Deshalb hoffen sie, dass Gott jetzt bei ihnen ist und ihnen Kraft gibt. Und wenn die sich bekreuzigen, dann ist das wie ein schnelles Gebet: Gott, sei jetzt bei mir, Vater, Sohn, Heiliger Geist.“

„Klappt aber nicht“, sagt die Jüngere. „Wir haben mal drauf geachtet. Die sich vorher bekreuzigt haben, haben meist nicht gewonnen.“
„Guck da. Hast Du gesehen. Die Läuferin hat sich gerade bekreuzigt. Wetten, dass die gleich nicht gewinnt!“

Ich riskiere alles: „Wetten das doch“, sage ich. Und wir patschen uns die Hände aneinander, wie man das vor Wetten so macht. Mir wird ganz flau im Magen und ich denke: „Was, wenn die Dame nun nicht gewinnt?“

Hab dann einfach angefangen zu reden: „Wisst ihr Kinder, ich bin auch oft nicht über die Hürden gekommen. War nicht schnell genug. Manchmal verlor ich alle Kraft: Damals der Verkehrsunfall, als ihr noch ganz klein wart. Aber Gott hat mich nie allein gelassen. Oft habe ich gebetet und auch gedacht: Gott, wo bist du denn jetzt? Warum hilfst du mir jetzt nicht über die Runden? Hab oft erst Jahre später erkannt: Eigentlich war Gott immer bei mir, auch dann, wenn es nicht gereicht hat, wenn mich was verletzt hat und die Wunden versorgt werden mussten. Hat mich nie verlassen, mein Gott.“

„Oh, pardon, Kinder, habe einfach nur so gebrabbelt“, sage ich.
Ich merke, wie beide sich auf dem Sofa an mich gekuschelt haben Ein Kind rechts, eins links. Haben mich in ihre Mitte genommen. „Ist ganz O.K. Paps, wir wollten dich nicht unterbrechen. Übrigens, die Frau hat eben gewonnen.“
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