SWR2 Wort zum Tag

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Das Ritual wiederholt sich seit mehr als einhundert Jahren. Zuerst gibt es den Preis für Medizin, dann folgen Physik und Chemie. Am Ende kommen dann die Literatur und seit vier Jahrzehnten auch noch die Wirtschaftswissenschaften. Immer in den ersten Tagen des Monats Oktober ist das so. Da werden die Nobelpreise vergeben. Höhepunkt ist meist die Verleihung des Friedensnobelpreises.

Wer einen Nobelpreis bekommt, dem verleiht dies eine – so scheint es – fast nicht mehr zu überbietende Würde.

In den Genuss einer solchen Ehrung kommen nur wenige. Und all die anderen? Ist das für sie ein Grund, sich für weniger wert zu halten? Bestimmt nicht. Meine Würde, da bin ich sicher, hängt gar nicht davon ab, dass ich einen solchen Preis bekomme.

Trotzdem: Wie alle anderen Menschen bin auch ich darauf angewiesen, dass andere mir sagen, dass ich für sie wichtig bin. Und wertvoll dazu. Da werde ich mir meiner eigenen Würde bewusst.

Die vollkommenste Form, einem Menschen seinen eigenen Wert vor Augen zu führen, ihn an seine Würde zu erinnern, ist die Liebe. Wer Liebe erfährt, ist mit einem Mal herausgehoben aus der großen Masse. Kann seine Einzigartigkeit spüren. Gewiss: Liebe ist ein großes Wort. Gemeint ist damit eine Form der Wahrnehmung eines anderen Menschen in seiner bewundernswerten Einmaligkeit. Wenn ich einen Menschen so ansehe, sehe ich ihn mit den Augen der Liebe. Damit ist eine Wertschätzung und Würdigung verbunden, an die kein Nobelpreis heranreicht. Nicht mehr braucht es dazu, als den rechten Blick. Ein waches Herz für das, was dieser Mensch durch seine Person an Besonderem und Ureigenem in die Welt gebracht hat.

Hier also liegt der große Unterschied zum Nobelpreis. Lieben zu können und geliebt zu werden – das ist kein Privileg der wenigen. Und wo Menschen diese Erfahrung vorenthalten wird, sollen wir alles dran setzen, dies zu ändern. Denn die Liebe hat einen Hang ins Grenzenlose. Sie wirft vieles einfach über den Haufen: Soziale Herkunft. Hautfarbe. Alter. Geschlecht. Dies macht die Liebe geradezu revolutionär. Denn sie ist gewissermaßen die höchste Form, klar zu machen, dass jeder Mensch von gleichem Wert ist. Von gleicher Würde. Ebenbild Gottes, sagt die Bibel dazu. Wo dieses Ebenbild zu zerbrechen droht, wo Seelen verletzt werden, wo Menschen Gewalt erleben, wo ihnen ihr Recht vorenthalten wird, da ist unser Mut zum Widerspruch gefragt. Immer wieder. Auch wenn es dafür keinen Nobelpreis gibt. https://www.kirche-im-swr.de/?m=6908
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