Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Heute Nacht ist er endgültig vorbei: der Sommer. Für die Meteorologen hat er ja schon am 1. September aufgehört. Kalendarisch hört er nun heute Nacht auf. Um genau 23:18 h steht die Sonne senkrecht über dem Äquator und dann macht sie sich auf in Richtung südliche Erdhalbkugel. Die bekommen dann Frühling und Sommer, bei uns beginnt jetzt der Herbst und dann kommt der Winter. Und vor allem: ab jetzt dauert die Nacht länger als der Tag.
Es gibt Menschen, für die ist das eine schwierige Zeit. Einige tun sich schwer mit der größer werdenden Dunkelheit, andere haben Probleme mit dem Herbst, weil er sie an die Vergänglichkeit des eigenen Lebens erinnert. Immer wieder wird in Kunst und Literatur das Leben des Menschen mit dem Verlauf eines Jahres verglichen. Und der Herbst des Lebens bedeutet eben, dass man den Zenit überschritten hat, die meiste Lebenszeit vorbei ist. Sicherlich der Herbst ist auch die Zeit der Ernte und bevor die Blätter fallen, färben sie sich bunt. Schönere Farben als die eines goldenen Herbsttages hat die Natur nicht zu bieten. Gerade jetzt im September und auch noch im Oktober bedeutet Herbst das volle Leben. Überall gibt es Ernte- und Weinfeste, Märkte und Messen. Schon immer ist der Herbst die Zeit, in der der Mensch das genießt, wofür er ein ganzes Jahr geschafft hat.
Aber der goldene Herbst wird vorbeigehen und die bunten Blätter werden fallen, die Bäume werden kahl. Und dann kommen wir zu dem unangenehmen Vergleich mit dem eigenen Leben. Der Herbst sagt, dass das Sterben zum Leben dazu gehört. Einer der Dichter, der sich auf wunderbare Weise mit dem Herbst beschäftigt hat, ist Rainer Maria Rilke. In seinem Gedicht „Herbst“ heißt es in den letzten vier Versen:

„Wir alle fallen. Diese Hand da fällt.
Und sieh dir andre an: es ist in allen.
Und doch ist Einer, welcher dieses Fallen
unendlich sanft in seinen Händen hält:“


Eine tröstliche Perspektive.

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