Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Gestern noch war es so kuschelig. Aufgeweckt werden mit einem Kuss, gemeinsamer Spaziergang, lange Gespräche, einander spüren. Heute sitzt er viele Kilometer entfernt an einem Schreibtisch und sie muss sich neu erfinden. Von der Ehefrau zum Single.

Wochenendbeziehung. Nach einer Studie leben derzeit mehr als 13 Prozent aller Lebensgemeinschaften heute in getrennten Wohnsitzen. Und es werden immer mehr. „Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt“, hinter diesem Zauberwort verstecken sich Schicksale von Paaren, die sich über Jahre hin nur am Wochenende sehen können, Kinder, die ihren Papa nur mit dem Sonntagsgesicht kennen.

Früher, da ist der Mann dem Beruf hinterher und die Frau dem Mann. Heute fragt sich ein Paar: Wer von uns beiden gibt den Beruf auf? Oder behalten wir beide unsere Arbeit und leben getrennt?

Natürlich kann man all diese Paare nicht über einen Kamm scheren. Eine Frage aber verbindet sie alle miteinander: Wie können wir uns nah bleiben in der Ferne? Wie kann unsere Liebe reifen?

Ich bewundere Paare, die das versuchen. Nicht zuletzt, weil sie so sehr gegen den Trend leben. Denn heute gilt doch als dumm, wer sich nicht sofort holt, was das Leben zu bieten hat. Verzichten, das sei doch nur was für Spießer und Moralapostel. Und Vertrauen- na ja, schön und gut, aber Kontrolle ist doch besser, oder?

Wer die Liebe aus der Ferne wach halten will, kommt nicht drum herum: zu verzichten, zu warten, Geduld zu haben und vor allem viel Vertrauen. Und – bekommt man auch was dafür? Lohnt sich das?

Ich glaube, dass all das einer Liebe die Tiefe geben kann. Wenn man immer wieder spürt, wie begrenzt die gemeinsame Zeit ist, dann wird sie kostbar. Dann wird sie zum Geschenk. Wissen, wie begrenzt das Leben ist, macht klug, meint die Bibel. Klug genug, das Wichtige vom Unwichtigen zu unterscheiden. Und das Wichtige dankbar zu genießen.

Und das wünsche ich allen, die sich derzeit nur aus der Ferne lieben können. Sie haben guten Grund zu hoffen, dass Ihre Liebe die Zeit der Trennung gut übersteht. Immerhin- statistisch gesehen werden Wochenendehen weniger häufig geschieden als andere. Ob das etwas mit der Lebensklugheit zu tun hat? *Studie der Gesellschaft für rationelle Psychologie von 1996 (aktuelle Statistik gibt es nicht)
https://www.kirche-im-swr.de/?m=6768
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