SWR2 Wort zum Tag

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Die Sünden der Moderne“; der Schriftzug auf einem Plakat springt mich an.
Ein Theater macht damit auf seinen neuen Spielplan aufmerksam.
„Die Sünden der modernen Gesellschaft.“ Einige klingen ziemlich erwartbar: „Politik ohne Prinzipien, Geschäft ohne Moral, Genuss ohne Gewissen.“ Aber eine Sünde lässt mich innehalten. „Religion ohne Opfer.“
Eigentlich war ich doch froh, dass das aufgeklärte Christentum sich vom oft so leidvollen Opfergedanken entfernt hat. Und nun soll „Religion mit Opfer“ doch wieder lebenswichtig sein und Religion ohne Opfer eine Sünde? .“ Wie könnte das gemeint sein?
Das Plakat weist die Richtung: Die Worte stammen nämlich nicht von der Werbeagentur des Theaters, sondern von Mahatma Gandhi, dem indischen Friedensnobelpreisträger und Politiker. Mit seinem gewaltfreien Widerstand gegen die britische Besatzung hat er sein Indien in die Unabhängigkeit geführt hat. Er hat in diesem Widerstand viele persönliche Opfer gebracht. Eine wichtige Quelle war für ihn dabei auch die Bergpredigt Jesu.
„Selig sind die Friedensstifter“, sagt Jesus dort oder auch:
„Selig sind die, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden.“
Diese Worte hat Gandhi selbst gelebt. Und manchmal hat er den Christen kritisch vorgehalten, dass im modernen Christentum von diesem friedlich kämpferischen Geist der Bergpredigt nicht mehr sehr viel zu spüren sei. Menschen sind nicht bereit, Opfer zu bringen für das, woran sie glauben.
Für Gandhi war das eine Sünde der Moderne.
So kann ich das Wort auf dem Plakat gut verstehen und annehmen. Dem Glauben fehlt etwas, wenn er nur privat und innerlich ist und für die Seele wichtig. Religion soll auch praktisch wirken. Sie gehört hinein ins Leben. Und manchmal so, dass der Glaube mich dazu auffordert, über meinen Schatten zu springen.
Etwas zu tun, was mich anstrengt.
Der Apostel Paulus hat das in seinem Brief an die Römer so gesagt:
"Ich ermahne euch, euch selbst als lebendiges und heiliges Opfer darzubringen, das Gott gefällt.
Der christliche Glaube ist nicht nur gedacht oder gefühlt. Er will leiblich werden, Hand und Fuß bekommen.
Ins Leben hinein wirken. In die Niederungen meines und Ihres Alltags. In die Geschäftswelt hinein. In Krankenhäuser und Pflegeheime. In menschliche Beziehungen. Und wenn man sich dabei an Jesus orientiert, kann es sein, dass das anstrengt. Dass man Opfer bringen muss. Aber so kann Religion Kräfte freisetzen. Wenn das Christentum so lebendig wird, kann es das Leben fördern. https://www.kirche-im-swr.de/?m=6743
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