Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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07SEP2009
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Die Art und Weise, wie die Deutsche Ariane Friedrich mit ihrer Niederlage im Hochsprung umgeht, lädt zur Nachahmung ein.

„Faszinierend“ ist das Wort, das mir zu Ariane Friedrich einfällt, der 25 jährigen deutschen Hochspringerin, die vor 2 ½ Wochen bei der Leichtathletikweltmeisterschaft in Berlin antrat, um für sich und ihr Land eine Goldmedaille zu holen.
Faszinierend wie sie, rank und schlank, modisch gestylt mit zwei Bewegungen des Zeigefingers auf ihre Lippen dem Publikum zu verstehen gab, still zu sein. Und was unglaublich war: Das voll besetzte Stadion wurde wirklich mucksmäuschenstill. Vielleicht auch, da Ariane Friedrich anzumerken war, dass dies keine arrogante Geste war, sondern der stumme Hilferuf an alle, dass nur in der Ruhe bei ihr die Kraft liegt.
Aus der goldenen Medaille wurde im Verlauf des spannenden, ja dramatischen Wettkampfs nichts. Als sie im letzten und entscheidenden Sprung über 2 Meter 06 die Latte nur haarscharf riss, war zigtausenden Mündern im weiten Rund ein gequälter Ausruf zu entnehmen.
Ganz anders bei Ariane Friedrich. Die war sichtbar glücklich über ihren dritten Platz und gratulierte unverkrampft ihrer Dauergegnerin Blanka Vlasic, ja spornte sie sogar mit rhythmischem Klatschen beim Versuch an, einen neuen Weltrekord zu erzielen.
Faszinierend wie sie in allen Interviews diese wunderbare Haltung beibehielt, allen provozierenden Kommentaren der Reporter sich doch über ihren herben Rückschlag zu ereifern, zum Trotz. Und imponierend, wie sie nach einem kurzen Filmbeitrag über eine jüdische Weltklassespringerin, die von den Nazis keine Starterlaubnis für die olympischen Spiele 1936 in Berlin erhielt, sich sichtbar gerührt und betroffen zeigte.
Eine sympathische Sportlerin, der der Sport über alles geht, aber nicht der Gewinn, die mittrauern kann und trotzdem herzlich über sich und die Welt zu lachen versteht.
Eigenschaften, die sicherlich nicht nur einer Sportlerin gut anstehen.



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