Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Bilder sind gefährlich. Sie setzen sich fest in unserem Gedächtnis, sind unbarmherzig und immer da. Ungefragt halten sie Einzug in unser Inneres, bewohnen heimlich unsere Seele, und wenn sie einmal da sind, prägen sie, was wir über andere denken und empfinden.
Du sollst dir kein Bildnis machen – so lautet eines der grundlegenden Gebote der Bibel. Wir Christen haben dieses Gebot mit den Juden, ja: auch mit den Muslimen haben wir dieses Gebot gemeinsam. Kein Bildnis machen… von Gott, so war das in erster Linie damals gedacht. – Aber auch kein Bildnis von dem, was drunten auf der Erde ist, also von den Menschen, heißt es weiter in der Bibel.
Denken Sie einmal an das Wort „Muslime“ in diesen Tagen. Und schon schießen Bilder empor wie: wütende, hasserfüllte Menschenmengen, die Fäuste gen Himmel gereckt. Frauen unter schwarzen Tüchern, Männer, die Fahnen verbrennen.
Oder beim Thema „Krieg“ die Bilder von geradezu amüsiert wirkenden deutsche Soldaten mit Totenschädeln in Afghanistan. …. Oder jene unvergesslichen Szenen aus Abu Ghraib oder Guantanamo, wo muslimische Soldaten verspottet, erniedrigt und gedemütigt werden.
Bilder können gefährlich sein. Sie behaupten: So wie auf den Fotos, so ist die Welt. So wie auf dem Bild, so siehst du aus: Brutal, kalt, zynisch, das ist der Westen – fanatisch, unberechenbar und gefährlich, so sind die Muslime. Bilder teilen die Welt in gut und böse, werden zu „Welt-Bildern“. Und je nachdem, auf welcher Seite man sich befindet, liefern sie die Begründung für Verurteilung und Verdammung des Anderen.
Gefährlich wird es, wenn aus diesen Bildern endgültig Feindbilder werden, wenn sie eingesetzt werden, um aufzuhetzen und zu manipulieren. Brandgefährlich wird es, wenn für diese Bilder Religionen verantwortlich gemacht werden.
Du sollst dir kein Bild machen, sagt die Bibel - die Tora und der Koran. Denn: Ein Bildnis machen – das heißt, dass man jemanden festlegen möchte. In einer Bilder-Falle festgelegt verliert der Mensch seine Freiheit, seine Würde und sein Mensch-Sein.
Morgen ist Volkstrauertag, der Tag, der daran erinnern soll, dass einst Kriege daraus entstanden sind aus diesem „sich ein Bildnis machen“. Ein Tag, der dazu ermahnen soll, dass dies in Zukunft nie wieder geschehen soll. - Und das fängt schon im Kleinen an. Zwischen mir und meinem Nächsten. Du sollst dir kein Bildnis machen.
Lieber frei und offen und neugierig dem anderen gegenübertreten. So kann ich ihn verstehen. Viel besser.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=67
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