SWR3 Gedanken

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„Du Opfer“ – dieses Schimpfwort aus der Jugendsprache bringt es auf den Punkt, wenn Schwächere öffentlich gedemütigt werden. Alltag auf den Schulhöfen Deutschlands. Laut einer Studie wird fast jeder dritte Schüler von Klassenkameraden gemobbt. Körperliche Gewalt auf dem Schulhof hat fast jeder zehnte Schüler erlitten. Es sind aber nicht nur die Jungs, die seelische und körperliche Gewalt ausüben oder erfahren. Mädchen machen das subtiler, weniger körperlich, dafür aber seelisch brutaler.
Heute vor 6 Monaten war der Amoklauf in Winnenden. Amok ist eigentlich der falsche Ausdruck, denn Amokläufer schießen oder stechen in wilder Raserei um sich. So genannte „School-Shooters“, so der Fachausdruck, gehen geplant, gezielt und emotional kalt vor wenn sie ihre Mitschüler erschießen. Und es sind nicht die aggressiv Auffälligen, sondern die Stillen, Unscheinbaren und nicht selten eben auch „Opfer“. Opfer von Ausgrenzungen, Enttäuschungen oder Demütigungen in der Schule. Sei es durch Mobbing oder durch den immer größeren Leistungsdruck. Natürlich wird nicht jedes Mobbingopfer oder jeder schulisch Frustrierte gleich zum Amokläufer, da muss noch viel mehr schief laufen. Aber die Schulen sind auch Verdichtungsorte von Frustrationen und Demütigungen junger Menschen. Darum finden die Explosionen von Jugendseelen ja auch in den Schulen statt. Und Opfer, im brutalsten Sinne des Wortes sind dann die Gegenbilder der tödlich Frustrierten. Die sozial oder sportlich erfolgreichen Schüler, die schönen oder beliebten Schülerinnen - oder die Lehrer.
Nach einem Schoolshooting sind die Debatten und die Betroffenheiten immer groß. Aber zwischen diesen immer häufiger werdenden Schoolshootings ist die Zeit sie zu verhindern. Durch Hinhören, Hinsehen und Eingreifen. Damit ein soziales Klima an Schulen entsteht, in denen Schimpfworte wie „Opfer“ nicht mal mehr denkbar sind.
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