Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Meine Zeit, Herr, steht in deinen Händen.
Ein Vers aus der Bibel.
Als Trostvers gedacht, aufgeschrieben und über Jahrhunderte hin aufbewahrt.

In jungen Jahren
habe ich diesen Vers oft wie die Überschrift in einem schönen Reiseprosekt nachgesprochen.
War gesund. Vor mir das Leben. Auf gehts. Mit Gott im Rücken. Volle Kraft voraus!

Heute, vierzig Jahre später:
Die Gesundheit ist nicht mehr das, was sie früher mal war.
Mein Arzt sagte mir neulich scherzhaft: Na ja, Herr Müller, biologisch sind sie halt über der Zeit.
Ab 38 werden die Körperzellen nicht mehr neu aufgebaut.
Nur noch abgeschrieben. Wie in der Wirtschaft. Aber machen sie sich nichts draus.

Mach ich mir aber.
Und komme ein bißchen ins stocken, wenn ich lese: Meine Zeit, Herr, steht in deinen Händen. Auch wenn ich biologisch über die Zeit bin...?

Und dann fällt mir meine katholische Großmutter wieder ein.
Wie sie mit 84 Jahren mal sagen konnte: Ich bin eigentlich schon lange über die Zeit.
Und dann verschmitzt hinzufügte: Aber der Herrgott, der rechnet ganz anders mit mir als die Natur. Der sieht zum Beispiel wie ich mich über die Enkel freue. Jeden Tag neu. Das macht mir vieles leicht. Das koste ich aus.

So konnte Großmutter reden. Und achtete gleichwohl auf ihre Gesundheit.
Ihre Sammlung von Gesundheit-Tees war berühmt.

Diese Erinnerung hilft mir.
Ich lese den Vers wieder mit neuer Zuversicht. Und schreibe ihn mir im Gebet zu Gott fort:
Meine Zeit Herr, steht in deinen Händen.
Du weißt, ich fühl mich gar nicht gut.
Aber meine Zeit steht in deinen Händen.
Mach DU was draus.
Ich rechne mit deiner Großzügigkeit.
Meine Kinder brauchen mich noch, und meine Frau auch.

Ob Gott mich hört? Ich rechne damit.

Fülle aber auch wie Großmutter vorsichtshalber meinen Vorrat an Gesundheit-Tees auf.
Und sehe dabei manchmal Großmutter vor mir wie sie lächelnd sagt:
Übertreib es nicht, Reinhardt, deine Zeit steht in Gottes Händen.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=6623
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