SWR3 Gedanken

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Wenn ich für einige Tage an einem fremden Ort bin, dann besuche ich gern schon mal den Friedhof. Ob nun idyllisch schön oder eher lieblos angelegt – es sind Orte, an denen ich in der Regel Ruhe finde und reichlich Gelegenheit zum Nachdenken. Hin und wieder bleibe ich dann an einem Grabstein stehen, weil er zum Beispiel mit einem Symbol geschmückt ist, oder ein interessanter Satz dort zu lesen steht. Dann versuche ich mir vorzustellen, was für ein Mensch das gewesen sein muss, der dort begraben liegt. In meiner Vorstellung wird dieser Mensch für einen Moment wieder lebendig. Der unvergängliche Stein auf dem Grab - er soll ja nicht nur diesen einen Menschen überdauern, sondern auch dem Gedächtnis der Besucher auf die Sprünge helfen. Wer immer auch dort liegt: Er oder sie soll nicht vergessen werden.
Der Grabstein der Zukunft könnte im Internet stehen, denn immer mehr Menschen leben ihr Leben quasi öffentlich im Netz. In Blogs oder Selbstdarstellungsportalen wie facebook oder myspace breiten sie ihr Leben vor andern aus. Doch wie es nun mal im Leben vorkommt, sind einige inzwischen gestorben. Ein seltsamer Zwischenzustand. Im Netz stehen dann noch ihre Bilder, Filme oder Texte, lassen sich ihre Freuden und Leiden verfolgen. Nur - dieser Mensch lebt nicht mehr. Eine junge Schwedin kam deshalb auf die Idee, eine Art von Internetfriedhof einzurichten. Ein Dienst, in dem man selber regeln kann, was eigentlich mit dem digitalen Nachlass geschehen soll. Was der Nachwelt an Erinnerungen hinterlassen bleibt, wenn man einmal nicht mehr ist. Als digitaler Grabstein sozusagen. Ewig unvergessen? Noch lese ich diese Hoffnung auf echten Grabsteinen. Sie richtet sich nicht zuletzt auf Gott, der größer ist als unser löcheriges Gedächtnis. In Zukunft könnte er vielleicht irdische Unterstützung bekommen: Im Internet, dem Medium, das angeblich ja auch nichts je Gespeichertes mehr vergisst
https://www.kirche-im-swr.de/?m=6606
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