SWR3 Gedanken

SWR3 Gedanken

„Das würde ich nicht aushalten“, entfuhr es entsetzt einer Mitarbeiterin in unserer Hochschulgemeinde. Ein Student hatte davon erzählte, dass er drei Wochen nach Nordschweden fahren wolle. Wandern. Allein. Fernab aller Touristenrouten. Manchmal, so sagte er, triffst du dort stundenlang keinen einzigen Menschen. Für ihn ist das Erholung pur. Für viele andere dagegen eine einzige Katastrophe.
Woran liegt es bloß, dass so Viele von uns die Stille nicht mehr aushalten können? Das wir nervös und hibbelig werden, wenn wir plötzlich keinen Handyempfang mehr haben? Dass die Sinnkrise vor der Tür steht, wenn der Internetzugang eine Weile nicht mehr funktioniert? Als uns eine technische Panne im Mobilfunknetz der Telekom vor einigen Monaten ein paar Stunden Stille beschert hat, war dies das Topthema in allen Nachrichtenkanälen. Da wurden Menschen von Ängsten verfolgt, weil sie sich mit einem Mal vom Leben abgeschnitten fühlten. Weil sie sich vielleicht urplötzlich nicht mehr mit Anderen und Anderem, sondern mit sich selbst beschäftigen mussten?
Wer aus dem Alltag mit permanenter Erreichbarkeit in die Stille eines Kloster flieht, der merkt dort als Erstes, wie schwer das fällt. Wie schwer, das Handy einfach ausgeschaltet zu lassen, kein Notebook und kein Drahtlosnetzwerk verfügbar zu haben. Manchmal braucht es erst einige Tage, bis man sich daran gewöhnt hat und die innere Unruhe des Abgeschnittenseins verschwunden ist. Doch dann erlebt man ganz Erstaunliches: Dass das Leben auch ohne digitale Nabelschnur funktioniert und mehr noch: Dass es sogar ganz wunderbar sein kann. Erst dann bekommt man nämlich die Chance, jemanden wieder zu treffen, den man womöglich schon länger nicht mehr getroffen hat: Sich selbst.
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