SWR4 Sonntagsgedanken

SWR4 Sonntagsgedanken

Haben Sie schon mal einen Hahn gesehen, der sich lachend auf die Hähnchenschenkel klopft, oder ein Huhn, das lacht? Ich habe das noch nie gesehen. Obwohl man gelegentlich zu hören bekommt: „Da lachen ja die Hühner”. Aber sie können natürlich nicht lachen, und auch eine Kuh lacht allenfalls auf der Käseschachtel.

Hunde, Katzen, Papageien und was da sonst noch kreucht und fleucht - die können spielen und sich freuen. Doch von Herzen lachen und vor allem über sich selbst lachen - das schafft nur der Mensch. Im Lachen und dem Humor unterscheiden sich Mensch und Tier. Nicht nur Irren ist menschlich, sondern auch Lachen.

Das Wort „Humor“ kommt aus dem Lateinischen. Dort heißt „humor“ Feuchtigkeit. Diese Art von „Feuchtigkeit“ ist lebenswichtig, wenn das Leben nicht austrocknen soll. Nicht von ungefähr hat man in der mittelalterlichen Medizin die vier Hauptsäfte „humores“ genannt. Von ihrer Beschaffenheit und dem Mischungsverhältnis soll das Temperament eines Menschen abhängen.
Humor – ein Lebensmittel im eigentlichen Wortsinn. Wie könnten wir uns sonst unsere Vitalität erhalten, wenn wir uns nicht diese Heiterkeit, Versöhnlichkeit, Gelassenheit - also den Humor gönnen?

Ob derjenige zu Lebzeiten davon genug hatte, von dem es am Ende heißt: „Immer hat er gearbeitet; er kannte nichts als seine Arbeit“? Nachrufe dieser Art habe ich oft bei Todesfällen gehört.

Dass ich nicht missverstanden werde: Gut, wenn einer Arbeit hat und sie ihm auch noch Freude macht. Arbeiten und etwas zustande bringen, kann einen zutiefst befriedigen. Doch andererseits: Würde Sie das trösten, wenn einmal von einem Menschen, den sie geliebt haben oder von Ihnen selbst gesagt würde: „Nur Arbeit war ihr oder sein Leben?“ Das heißt: Sie haben nur gelebt, um zu arbeiten?

Ich glaube nicht, dass Menschen so verbissen arbeiten, nur um ihren Lebensunterhalt zu sichern. Für mich klingt es wie ein Glaubenssatz, wenn einer sagt: „Ich kenne nur Arbeit“. Der Betreffende ist zutiefst davon überzeugt: Es gibt für mich auf dieser Welt nur dann einen Platz, wenn ich ihn mir durch gewissenhafte Pflichterfüllung und hartes Arbeiten verdiene.

Natürlich stimmt das nicht. Denn keiner kann sich seine Daseinsberechtigung erarbeiten und verdienen. Auch nicht durch verbissene Anstrengung. Wir können es nur gelten lassen, dass Gott uns wertschätzt, und dass uns darum ein Platz auf der Welt zusteht.
Vertrauen statt verbissenes Arbeiten, das ist Lebenskunst. Auf diesem Nährboden kann sich Humor entfalten. Humor, der einen das Leben leichter nehmen und lachen lässt. Und Lachen ist bekanntlich gesund.

Teil 2
Wer Humor hat und lachen kann, befindet sich in guter Gesellschaft. Die Christenheit ist auffallend reich an humorvollen Originalen aller Art: solchen, die im Lexikon stehen und den vielen anderen, die nur in Erzählungen weiterleben. Martin Luther zum Beispiel war überzeugt: „Sauer sehen und grauer Rock machen keinen Christen“. Resignation war ihm darum verdächtig. Ein Mönch schrieb im 7. Jahrhundert: „Gott will nicht, dass der Mensch traurig ist aus dem Schmerz der Seele; er will vielmehr, dass er aus Liebe zu ihm in seiner Seele lache und fröhlich sei“. Und der Kirchenvater Augustin weiß: „Die Seele nährt sich von dem, worüber sie sich freut“.

Auch Gott muss Humor haben. Was macht er wohl den lieben langen Tag? Das haben sich vor Zeiten jüdische Theologen, die Rabbinen gefragt. Ihre Antwort: Sechs Stunden, so haben sie sich das vorgestellt, sitzt er auf dem Stuhl der Barmherzigkeit, sechs Stunden auf dem Stuhl der Gerechtigkeit, sechs Stunden schafft er Nahrung für alles Lebendige, sechs Stunden am Tag, da spielt Gott. Er spielt mit dem Leviathan. Der Leviathan - das ist der Chaosdrache, der Widersacher. Mit ihm spielt Gott, wie ein Hobbyzüchter sich in seinem privaten Reptilienzoo entspannen mag. Das ist zum Lachen, und die Rabbinen fanden ihre Vorstellung vom entspannt spielenden Gott sicher auch zum Lachen.

Der Gott, den wir „Vater” nennen und an den wir glauben - von diesem Gott heißt es in der Bibel, er lache über das Böse. Das ist kein dämonisches, kein schadenfrohes Lachen. Es ist das Lachen dessen, der auch „trösten kann wie eine Mutter tröstet“. Es ist das Lachen Gottes, das wir mit jedem Vaterunser bekräftigen: „Dein ist das Reich und die Kraft in Ewigkeit“.

Der frühere Bundespräsident Gustav Heinemann muss Humor gehabt haben, wenn er daraus folgerte: „Die Herren dieser Welt gehen, unser Herr aber kommt“.

Mit dieser Einsicht ändert sich in der Tat die Perspektive. Manches, was uns heute erschreckt, uns die Sprache verschlägt oder uns sonst wie negativ beeindruckt, soll uns nicht mehr in seinen Bann schlagen. Die Namen derer, die heute das Sagen haben, wird man morgen nicht mehr kennen.

Der unbefangen mit dem Chaosdrachen spielende Gott – für mich ist es ein starkes Bild für das Urvertrauen: Am Ende wird das Leben siegen. Dagegen ist einfach kein Kraut gewachsen. Wer das weiß, hat gut lachen. Und sein Lachen ist alles andere als Galgenhumor.

Darum sind wir so frei, diesen Tag als den ersten Tag vom Rest unseres Lebens zu feiern und wir können von Herzen lachen. https://www.kirche-im-swr.de/?m=6577
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