SWR2 Wort zum Tag

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Dialog ist besser als Feindschaft und gegenseitige Bekämpfung. Das ist eine Einsicht, zu der sich Religionen über Jahrhunderte durchringen mussten, und auch gegenwärtige Er-fahrungen zeigen uns, dass die Lektionen wohl noch nicht vollständig gelernt sind. Aber passen Dialog und Toleranz auf der einen Seite und religiöse Überzeugungen und Wahr-heitsansprüche andererseits zusammen?
Ich glaube, dass Toleranz und Wahrheit in Glaubensangelegenheiten nicht in unversöhnli-chem Gegensatz stehen müssen. Bei aller Achtung und allem Respekt, den ich Angehöri-gen anderer Religionen entgegenbringe, muss ich doch nicht schweigen, wenn es um meine Glaubensüberzeugung geht. Gerade in einem Klima gegenseitiger Toleranz dürfen unterschiedliche Auffassungen doch offen ausgesprochen werden.
Wir leben in einer Zeit, in der Elemente aus unterschiedlichsten religiösen Traditionen wild miteinander vermengt werden. Religionssoziologen haben es mit einem Supermarkt ver-glichen: Da füllt jeder seinen Einkaufswagen mit den Dingen, die er gerade braucht. Doch Religion ist keine Privatsache
und keine Frage des persönlichen Geschmacks. Glaube setzt tiefer an. Ich werde ich von einer Einsicht in meinem Innersten, in meinem Herzen berührt. Und ich finde Worte und Ausdrucksformen dafür, die mich in eine Gemeinschaft mit anderen stellen. Das ist religi-öser Glaube.
Glaubensbekenntnisse entstehen auf dem Weg des gemeinsamen Austausches. Dort wo ich einstimme in den Chor derer, mit denen ich Erfahrungen und Einsichten teile. Glau-bensbekenntnisse stiften Identität. Sie geben mir Worte, Bilder, Symbole, um meine Glaubenserfahrung zum Ausdruck zu bringen. Und sie binden mich ein in die Gemein-schaft derer, die mit mir die gleiche Erfahrung bezeugen. Ohne Glaubensbekenntnisse ist der Glaube sprachlos und einsam.
Ein Glaubensbekenntnis schafft Verbindlichkeit in einer größeren Glaubensgemeinschaft. Und es bietet Ansprechbarkeit nach außen. Es richtet sich ja nicht gegen andere, sondern an andere. Es will nach außen bezeugen, worin der eigene Glaube besteht. Mit meinem Glaubensbekenntnis mache ich mich ansprechbar – auch angreifbar, kritisierbar. So gese-hen sind Glaubensbekenntnisse geradezu die Voraussetzung für alle Dialogbemühungen zwischen den Religionen. Ohne Glaubensbekenntnisse keine Klarheit zwischen den Dia-logpartnern.
Bisweilen habe ich das Gefühl, das größere Problem, das wir Christen im Dialog mit den Religionen haben, ist dies, dass wir nicht ausreichend bezeugen können, worin eigentlich unser Glaube besteht. Dass wir zu profillos sind, zu unangreifbar – im positiven Sinn des Wortes. Und damit auch zu wenig ansprechbar. https://www.kirche-im-swr.de/?m=648
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