SWR2 Wort zum Tag

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22. Juli. Im Jahreskalender der Heiligenfeste steht heute der Name Maria Magdalena, Maria aus Magdala – ein kleiner Ort in Palästina zur Zeit Jesu.
Im Kreis der Jüngerinnen und Jünger Jesu, so die Evangelien, spielt sie eine besondere Rolle. Maria von Magdala ist unter den wenigen, die den Weg Jesu mitgehen bis zum Tod am Kreuz. Und sie ist unter den ersten, die die Osterbotschaft vernehmen und bezeugen.

Maria ist sehr oft und sehr unterschiedlich von Künstlern dargestellt worden.
Vor Jahren wurden in einer Kunstausstellung in Florenz Bilder und Figuren dieser Heiligen vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert zusammengetragen. Sie machten deutlich, welche Faszination von der Gestalt der Maria Magdalena auf die Künstler vieler Jahrhunderte ausging. In der Frömmigkeit und in der Kunst hat man sie, je nach den Zeitumständen, auf sehr unterschiedliche Weise gesehen und dargestellt. Sie ist Sinnbild der Schönheit, Sünderin und Verführerin, Hüterin des Spirituellen, ‚neue Eva’, strenge Asketin, Philosophin im Nachdenken über die Vergänglichkeit.
Für alle diese Sichtweisen bot die Ausstellung beeindruckende Beispiele. Eremitin ist sie im Mittelalter, Hofdame mit dem Salbgefäß in der Renaissance, Bekehrte in der Gegenreformation, Büßerin im Barock, später immer wieder Mystikerin. Nach dem gerade überstandenen 2. Weltkrieg malt Francis Bacon Maria Magdalena klagend, tief gebeugt, mit offenem Mund, wie sprachlos.
Eine seltene Darstellung, die in der genannten Ausstellung nicht vertreten war, findet sich in der Buchmalerei des 12. Jahrhunderts im sogenannten Albani-Kodex, der heute im Domschatz in Hildesheim aufbewahrt wird – mit dem Motiv der Apostola Apostolorum. Maria Magdalena als die Apostolin der Apostel: Aufrecht stehend, mit der einen Hand auf die Gruppe der Zwölfapostel, mit der anderen nach oben zum Himmel weisend, so tritt sie in diesem Bild auf die ängstlich, dicht zusammengedrängte Schar ihrer männlichen Apostelkollegen zu. Sie bringt ihnen die Botschaft, die den christlichen Glauben begründet: die Botschaft von der Auferweckung Jesu Christi aus dem Tod durch Gott. Maria von Magdala ist die erste, die die Botschaft von Ostern empfängt und weitergibt.
Dieses Bildmotiv hält eine Szene aus dem Evangelium nach Johannes fest. Da spricht der Auferstandene Christus zu ihr am Ostermorgen: „Geh zu meinen Brüdern und sag ihnen: Ich gehe hinauf zu meinem Vater und zu eurem Vater“. Maria von Magdala sucht einen Toten, sie findet einen Lebenden, glaubt ihn als Auferstandenen und wird damit zur ersten Zeugin des Osterglaubens – diese atemberaubende Vorstellung ist für uns heute vielleicht der wichtigste Zug an ihrer facettenreichen Gestalt.
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