Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Nichts ist schwerer, als dem anderen wirklich zuzuhören. Da sagt jemand etwas – und ich hab schon im Kopf, was ich selber sagen möchte. Ich hab so einiges auf dem Herzen, noch bevor der andere den Mund auftut. Oder natürlich: Ich kenne mein Gegenüber und erwarte schon so manches. Da fällt es schwer, sich darauf zu konzentrieren: Was sagt denn der andere wirklich, was meint er? Wirklich Zuhören ist eine Kunst.
Im Beruf, in dienstlichen Diskussionen fällt mir das immer wieder auf. Da beginnt ein Kollege etwas ganz ausführlich zu erklären – und ich denke: Aber das hat doch eben noch eine andere in der Runde so ähnlich gesagt. Hat er das denn nicht mitbekommen? Oder ich erwische mich selbst dabei: So beschäftigt bin ich damit, meine eigenen Gedanken zu sortieren, dass ich dem Gespräch gar nicht richtig folge. Und natürlich gibt’s das auch im Privaten, da bekommt es dann erst recht Gewicht: Wenn ich dem Partner oder der guten Freundin nicht richtig zuhöre, weil ich ganz mit mir selbst beschäftigt bin. „Was hast du gesagt?“ frage ich dann manchmal – oder denke es mir auch nur.
Gespräche, Dialoge – das sind oft genug eigentlich nur Monologe, Sätze, die aufeinander folgen, ohne Verbindung zueinander. Schade eigentlich, denn wenn wir wirklich aufeinander hören, lassen sich geniale Erfahrungen machen. In Diskussionen, in denen wirklich der eine auf den anderen hört: Da geht es ganz anders voran. Vielleicht hab ich dann auch mal den Mut zu sagen: Jetzt hab ich Ihnen so zugehört, ich habe ganz vergessen, was ich selbst sagen wollte. Oder auch: Jetzt ist mein eigener Beitrag nicht mehr so wichtig. Wenn sich jeder zurücknimmt, auf den anderen so hört, wie auf sich selbst – dann können richtig gute Ergebnisse entstehen. Und so ähnlich kann es natürlich auch im Gespräch mit Partnerinnen und Freunden gehen: Wenn ich wirklich interessiert hinhöre auf das, was mir mein Gegenüber sagt, dann bleibt vielleicht manch eigener Satz ungesagt. Aber ich bekomme dafür neue Einsichten über den anderen. Und es kann eine echte Verbindung entstehen, über die zwischen Wörtern und Sätzen hinaus - zwischen den Menschen.

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