Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

„Gott ist dir näher als deine Hände und Füße,“ hörte ich im Radio beim Autofahren – und war elektrisiert. Gott – nah wie Hände und Füße. Noch im Weiterfahren wirken diese Worte. Ganz deutlich spüre ich meine Hände und meine Füße. Das klappt ohne hinzuschauen. Ich weiß, wie meine Hände und Füße aussehen, und weiß, wie sie sich anfühlen. Ich kenne sie sehr, sehr gut. Sie bewegen sich, wie ich das möchte, tun manchmal weh oder sind müde. Hände und Füße brauche ich täglich, stündlich und in jeder Minute und Sekunde, ohne darüber nachzudenken. Sie sind einfach da, gehören zu mir und ich bin mit ihnen aufgewachsen. Und Gott soll mir noch näher sein? Noch näher als meine vertrauten Hände und Füße?
Viele haben es eher so gelernt, als sei Gott ganz fern. Als müsste er durch Gebete und Feiern herbeigeholt werden. Gott als einer, der kaum zu erreichen ist. Ein ferner Gott, ein dunkler Gott.
Der Apostel Paulus hat andere Bilder für Gott gefunden. Er hat Gott sehr nah erlebt, und das schrieb er in vielen Briefen an Freunde und an die christlichen Gemeinden, die er gegründet hatte. Nie sollen sie den nahen Gott vergessen. Das schärft er ihnen ein: „Ihr seid Tempel Gottes“, sagt er. Oder „ ihr seid ein Brief Christi“, oder noch deutlicher: „nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir“. Da ist es wieder: Gott so nah, näher als Hände und Füße, weil er in mir und um mich ist. Immer.
Diese Bilder möchte ich eine Weile auf mich wirken lassen: Gott in mir und um mich. Gott näher als Hände und Füße. Mein Leib als Tempel Gottes. Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir. Mein Leben, mein Ich, mein bescheidenes Dasein – durchglüht von Gott? Und Gott immer da, wo ich bin?
Wenn das so ist, dann ist jeder Christ Tempel Gottes, Wohnung für Gott – Und Christ sein heißt, im eigenen Leben Gott den Raum zu schaffen, dass er sich zeigen kann. Nicht mehr und nicht weniger.

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