Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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„Die Opposition hat ihre Martyrerin“. Das stand über dem Foto einer jungen Demonstrantin, die während der jüngsten Unruhen im Iran auf offener Straße niedergeschossen wurde. Martyrer waren immer wichtig. Sie machen eine Sache oder Bewegung glaubwürdig. Denn wer wie die junge Frau sein Leben wagt, verleiht seinem Einsatz einen letzten Ernst und eindringliche Überzeugungskraft. Gegner werden dadurch in Frage gestellt, Mitstreiter werden ermutigt.
Dieses ideale Bild weist freilich Flecken auf. Auch politische oder religiöse Terroristen nennen ihre Selbstmordattentäter „Martyrer“. Doch ich bin sicher: Wer an der eigenen Gewalt zugrunde geht, kann kaum ein glaubwürdiger Zeuge für eine gute Sache sein. Mancher sogenannter Martyrertod löst eine Spirale der Gewalt aus, und auf beiden Seiten gibt es dann Tote. Auch das kann nicht überzeugen. Ich finde, ein Martyrer überzeugt dadurch, dass er auf Gewalt verzichtet, seine Ohnmacht aushält und gerade dadurch die Gewalt in Frage stellt. Dadurch bewirkt er mehr als die Täter – und ist nur scheinbar das Opfer .
Maximilian Kolbe war so ein glaubwürdiger Mensch. Die Kirche feiert ihn heute. Kolbe, ein polnischer Priester, wurde in der NS-Zeit verhaftet und in das Vernichtungslager Auschwitz verschleppt. Bei einer Strafaktion im Lager wurden Menschen ausgesondert, die im Hungerbunker qualvoll sterben sollten. Maximilian Kolbe bot sein Leben für das eines Familienvaters an. Der Lagerleiter akzeptierte das Angebot, so dass Kolbe mit anderen Leidensgenossen in den Bunker gebracht und nach tagelangem Hungern schließlich mit einer Giftspritze getötet wurde.
Maximilian Kolbe verband persönliches Zeugnis, Einsatz des Lebens und rettende Tat. Er hat glaubwürdig unterstrichen, was es heißt, im Leben und im Tod auf Gott zu vertrauen. Im Bunker soll er gesungen und gebetet haben; wir dürfen annehmen, dass er wie viele christliche Märtyrer vor ihm auch für seine Peiniger gebetet hat. Seine Tat hat nicht zu neuen Gewalttaten angestiftet, sondern den Kreislauf von Gewalt und Gegengewalt unterbrochen.. Sein Leben und Tod hat mehr bewirkt als die Täter. Denn an den Namen des Lagerleiters erinnert sich heute niemand mehr, aber das Zeugnis von Maximilian Kolbe macht immer noch Hoffnung.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=6439
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