Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Im Internet gibt es seit zwei Jahren eine Seite, da können Schüler ihre Lehrer bewerten. Sie können ihnen richtige Noten geben. Anonym wird beurteilt, ob Lehrer fachlich kompetent, freundlich und cool sind – oder eben nicht. Eine Lehrerin aus Nordrhein-Westfalen fand das gar nicht lustig und hat gegen den Internet-Anbieter und gegen ihre Benotung geklagt.

Immer wieder werden Menschen beurteilt, bewertet, eingeschätzt. Wir machen uns ein Bild vom anderen und sagen dazu „sehr gut“ oder „mangelhaft“. Die Internet-Seite ist nur ein medialer Sonderfall der vielen Bewertungen, die wir ständig abgeben. Leider werden wir unseren Mitmenschen in unserem Urteil allzu oft nicht gerecht. Denn natürlich ist es wichtig, Taten und Leistungen zu beurteilen. Aber allzu oft glauben wir, dass wir damit auch einen Menschen beschreiben. So, als wäre ein Mensch nur die Summe seiner Taten. Und ganz schnell glauben das dann auch die, die beurteilt werden. Sie vergessen dabei: ich bin viel mehr als das, was ich tue.

Der Apostel Paulus weist immer wieder auf den Unterschied zwischen dem Menschen und seinen Taten hin. In der Bibel nennt er sein Rezept für den Umgang mit Bewertungen. Auch er wird ständig kritisch beäugt, alles, was er sagt oder tut, wird auf die Goldwaage gelegt und kann gegen ihn verwendet werden. Die Kritiker des Paulus reden von seinen Taten und wollen doch ihn selbst treffen. Die Situation wäre kaum auszuhalten – wenn es da nicht Gott gäbe. Denn Paulus weiß: Sein Schöpfer sieht ihn mit anderen Augen. Deshalb schreibt er seinen Kritikern: Es ist mir ein Geringes, von euch beurteilt zu werden – Gott ist es, der mich beurteilt (1. Kor 4,3a+4b). Sicher freut sich Paulus, wenn er von Menschen gelobt wird, aber davon ist er nicht abhängig. Und auch Kritik perlt an ihm nicht einfach ab, aber er lässt sich davon nicht unterkriegen. Denn auf Gottes Urteil kommt es an. Und bei Gott ist Paulus ganz grundsätzlich davon überzeugt, dass sein Urteil allemal gerechter und liebvoller als das von Menschen ist. Er wird mir wirklich gerecht.

Die Lehrerin hat vor einigen Wochen ihren Rechtsstreit vor dem Bundesgerichtshof verloren. Die Internet-Zensuren für Lehrer wird es also weiter geben. Doch Lehrer genauso wie Schüler und alle anderen sind mehr als eine Liste mit Schulnoten. Ich empfehle in solchen und ähnlichen Situationen den Satz des Paulus: Es ist mir ein Geringes, von euch beurteilt zu werden – Gott ist es, der mich beurteilt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=6406
weiterlesen...