SWR2 Wort zum Tag

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Männer sollen für ihre Kinder da sein. Haushalt und Erziehung sind Sache beider Partner. Familienarbeit ist eine wichtige Aufgabe und verdient mehr gesellschaftliche Anerkennung.
In der neusten Elternzeit-Broschüre des Familienministeriums wären mir diese Sätze nicht weiter aufgefallen. Ziemlich überrascht war ich dagegen, als ich so etwas an einer völlig anderen Stelle gelesen habe. Bei Martin Luther.
Offensichtlich hat sich an den Mühen der Säuglingspflege – und auch an ihrem gesellschaftlichen Renomée – seit der frühen Neuzeit nicht so viel geändert.

„Wenn die ... Vernunft das eheliche Leben ansieht“, so schreibt der Luther 1522, „dann rümpft sie die Nase und spricht: ‚Ach, ich sollte das Kind wiegen, die Windeln waschen, Betten machen, Gestank riechen, die Nacht wachen, beim Schreien für es sorgen, einen Ausschlag und Geschwür heilen, danach das Weib pflegen ... hier sorgen, da sorgen ...?“

Luther selbst war noch nicht verheiratet, als er das in seiner Schrift „Vom ehelichen Leben“ veröffentlicht hat. Und wie viele der Windeln seiner sechs Kinder er später tatsächlich selbst gewaschen hat, weiß ich nicht. Was er aber als Theologe zu dem Thema zu sagen hat, finde ich bemerkenswert.
Aus der Sicht des christlichen Glaubens nämlich, so schreibt der Reformator, sind diese „geringen, unangenehmen und verachteten Werke ... alle mit göttlichem Wohlgefallen wie mit kostbarstem Gold und Edelsteinen geziert.“ Denn Gott unterscheidet nicht zwischen vermeintlich bedeutsamen und unbedeutsamen Aufgaben.
Und so, meint Luther, können auch Männer einen ganz neuen Zugang zur Familienarbeit finden. Wer nämlich glaube, dass Gott ihn als Mann geschaffen hat und ein Kind hat zeugen lassen, der könne es auch als eine von Gott verliehene Würde sehen, „das Kindlein zu wiegen, seine Windeln zu waschen und für seine Mutter zu sorgen“ – und das selbst dann, wenn andere ihn verspotten und für einen, so Luther, „Maulaffen oder Frauen-Mann halten“.

Ich finde, das ist erstaunlich aktuell – und ein guter Denkanstoß: für alle, die immer noch meinen, dass Männer, die ein paar Monate Elternzeit nehmen, ihr Ansehen und ihre Karriere nachhaltig beschädigen – und erst recht für die, die ihnen im Beruf dann tatsächlich Steine in den Weg legen; auch für mich selbst, wenn ich manchmal lustlos Windeln wechsele; und ganz bestimmt auch für die gesellschaftliche Diskussion um das Ansehen von Pflege- und Erziehungsberufen! Wie sagt doch Luther: „Es sind alles ... goldene, edle Werke!“
https://www.kirche-im-swr.de/?m=6358
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