Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Das Entscheidende an einer Mauer sind die Fugen. Die Fugen verbinden die Steine und geben der Mauer Halt und Stabilität. Die eigentliche Kunst beim Mauern ist das Verfugen.

So ähnlich stelle ich mir das mit der Patientenverfügung auch vor. In einer Patientenverfügung verbinde ich verschiedene Aspekte und verfüge, was ich mir beim Sterben oder in einer schweren Krankheit an Hilfe wünsche.

Vor einigen Wochen hat der Bundestag den gesetzlichen Rahmen dafür neu geregelt. Menschen legen in der Patientenverfügung schriftlich fest, welche Form von medizinischer Versorgung sie sich wünschen, z.B., wenn es ans Sterben geht und sie vielleicht nicht mehr selbst entscheiden können. Lange war unklar: wie verbindlich für die Angehörigen ist der Wille eines Menschen, den er da aufgeschrieben hat? Jetzt hat das Parlament entschieden: Dieser Wille gilt. Er ist entscheidend für alle, die sich um einen schwerkranken oder sterbenden Menschen kümmern. Die Entscheidung eines Menschen zu respektieren und entsprechend zu handeln, entspricht seiner Würde und seinem Recht, selbst über sein Leben zu verfügen – daher der Name des Papiers.

So richtig glücklich mit dem neuen Gesetz zu den Rahmenbedingungen sind die Kirchen aber noch nicht. Denn da muss sich mehr zusammen fügen als nur das Recht auf Selbstbestimmung und der Respekt der Angehörigen und Mediziner.

Aus Sicht der Kirchen geht es um die Würde des Menschen. Und dazu gehört nicht nur die Freiheit, über sein Leben selbst zu verfügen. Dazu gehört auch die Fürsorge der anderen. Warum? Weil jeder Mensch auf andere angewiesen ist. Immer. Auch als gesunder Mensch. Zusammenfügen muss sich deshalb in so einer Patientenverfügung die Verantwortung für mein Leben mit der Fürsorge und der Nächstenliebe der anderen.

Ihnen nicht zur Last zu fallen, kann nicht das oberste Kriterium sein. Gut, wenn ein Mensch beizeiten sagt und aufschreibt, was ihm wichtig ist. Aber bis zum letzten Atemzug lebt er auch davon, dass andere ihn begleiten, für ihn einstehen, Einfühlungsvermögen zeigen. All das fügt sich erst zusammen beim Leben selbst.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=6336
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