SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Vor nicht allzu langer Zeit bekam ich einen Anruf vom Polizeiposten. Ein junger Mann – ein Student aus China – suche Hilfe. Er sei unter Schock – und man wisse nicht, ob er sich oder seiner Frau etwas antue. Die habe einen anderen Partner und lasse ihn nicht mehr zu sich in ihre Wohnung. Er spreche gut deutsch.
Ich mache mich auf den Weg. Freundlich begrüßt mich der junge Mann, sichtlich erschöpft. Er erzählt - ich höre ihm zu. Wie er seine Frau verloren hat – und damit alle Pläne für die Zukunft. Ihr Studium wollten sie hier abschließen – einen Job finden, anders leben als daheim. Alles Vermögen hatten sie dafür zusammengetan. Und jetzt dies – jetzt steht er allein da – nach zehn Jahren Ehe.
Er erwarte Hilfe – von der Polizei – von der Religion. Ich soll als Pfarrer - als Vertreter der Moral - dem neuen Partner seiner Frau vermitteln, dass das so nicht geht, dass das seine Frau sei. Ich sage ihm: „Das kann ich nicht. Weder die Polizei noch ein Pfarrer können Ihnen Ihre Frau zurückbringen.“
Das erschreckt ihn – macht ihn fassungslos. Er sagt es so:
„In China ist das anders. Da kommen Verwandte und Freunde und schalten sich ein. Alles ist geregelt in Deutschland, für alles gibt es ein Gesetz, nur nicht für den Schutz der Ehe? Ist es hier nur ein Stück Papier?“
Was mir seither nachgeht und mich nachdenklich macht:
Ich weiß wohl, es kann gut und segensreich sein, dass Menschen auseinander gehen – mit neuen Partnern ihr Glück suchen und finden. Aber Trennung ohne ein Wort? Ohne einen Austausch? Das ist für viele wie eine Amputation – ohne Narkose. Verstehen müssen – ganz allein? Ist das wirklich unsere Kultur? Warum tun wir uns damit so schwer, uns darüber auszusprechen – miteinander?
Er kam am nächsten Tag und wir sprachen den ganzen Abend – über seine verlorene Liebe – und seinen Entschluss, Deutschland wieder zu verlassen. Ich mochte ihn gern darin bestärken, seinen Weg zu finden, sein Leben weiter zu achten und wertzuschätzen.
„Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei“ – heißt es in der Bibel. Aber stehen wir auch einander bei, wenn er oder sie allein gelassen wird? Schauen wir weg – oder gehen wir aufeinander zu? Durch eine Trennung haben viele auch ihren gewohnten Lebensrahmen verloren. Fragen wir nach, wie es geht, wie es weitergeht? Und gibt es Gelegenheiten, wo diese Schmerzen Raum und Gewicht bekommen?
Partnerschaft ist mehr als ein Stück Papier.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=632
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