SWR3 Gedanken

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Schärfer hätte dieser Gegensatz eigentlich gar nicht sein können. Bei der Faszination durch Gewalt.
Am 20. November betrat der ehemalige Schüler Bastian B. das Gelände seiner alten Schule, schoss wahllos auf Menschen und zündete Rauchbomben. Anschließend tötete er sich selbst. Fünf Personen wurden durch Schüsse verletzt, weitere 32 mussten wegen Rauchvergiftung oder Schock behandelt werden. Der Amokläufer von Emsdetten.
Am 21. November betrat der aktuelle 007-Hauptdarsteller Daniel Craig den Roten Teppich im Berliner Sony-Center. Die Feier der Deutschland-Premiere des neuen Bond-Abenteuers „Casino Royale“. Hunderte von Fans jubelten. Auch von den Medien viel Aufmerksamkeit, sie zeigten sich von Craig beeindruckt. Er setze neue Maßstäbe in der Geschichte der Bond-Filme.
Montagmorgen in Emsdetten, und Dienstagabend in Berlin. Bastian und Bond. Der Amoklauf und der Kinofilm. Damit wir uns nicht falsch verstehen. Die Ereignisse und die Meldungen in dieser einen Novemberwoche sind total verschieden. Aber sie verbindet das Thema: Faszination der Gewalt. Also Dinge durch Gewalt lösen und regeln wollen. Und dabei über die Stränge schlagen, mit der legendären „licence to kill“. Beide Figuren zeigen sich als Waffennarren, ob im Internet-Video oder im Kino. Der eine wird als „Ego-shooter“ und wird scharf verurteilt, der andere als „Shooting-Star“ bejubelt, vergöttert – „so männlich, so weltläufig!“ Ist uns da nicht etwas durcheinander geraten?
Sicher, das eine ist Fiktion, das andere Wirklichkeit. Das ist der Unterschied. Davon leben wir, das wir das wissen und auseinanderhalten können.
Aber was ist, wenn aus dem Spiel blutiger Ernst wird, wenn aus verschlossenen Jungen von nebenan der Abgrund von Hass auftaucht, der Hass auf die Welt, auf sich? Die schnellen Reaktionen sind Misstrauen, Angst und Aktionismus: der Ruf, Video-Ballerspiele zu verbieten, wirkt hilflos. Wir sollten uns lieber um die Einsamen kümmern. Ist mühsam! Mit ihnen zu reden, statt sie gleichgültig dem Ballerspiel zu überlassen. Aber wer den Panzer des Schweigens knackt, berührt das Herz.
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