SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Freundschaft ist wichtiger als Liebe, sie ist umfassender, weniger ausschließlich. Oder? Man muss schließlich kein Liebespaar sein, um befreundet zu sein. Aber es ist gut, wenn Liebespaare auch Freunde sind. Vor kurzem habe ich ein Paar getraut, das sich eine Traupredigt über die Freundschaft wünschte, nicht über die Liebe. Nicht weil diese nicht vorhanden wäre – sonst wäre die Hochzeit ja wohl kaum zustande gekommen – sondern weil sie sich und ihren Gästen bewusst machen wollten: Wer heute von „Liebe“ spricht, verwendet ein ziemlich inflationär gebrauchtes Wort. Liebe kann eine Kaffeesorte sein oder ein Diamant, man kann sein Auto lieben oder den jeweiligen Lieblingssport, man kann sich unter „Liebe“ romantische Momente vorstellen oder leidenschaftliches Zusammensein. Für dieses Paar war es bedeutsam darum zu bitten, dass das Band der Freundschaft zwischen ihnen immer weiter wachse und stärker werde.

Eine Freundschaft ist eine Verbindung, die, wenn es gut geht, Jahrzehnte überdauert, die Veränderungen übersteht, die das Beständig-Sein lehrt, und die etwas verkraftet. Denn immerwährende Harmonie ist in einer Freundschaft nicht garantiert. Man kann sich auch auf die Nerven gehen. Man weiß genau, was nicht geht, was der, die andere so langweilig finden wird, dass man selbst keine Lust mehr dazu hat. Freundschaft hält Unterschiede aus, womöglich braucht sie sie sogar. Echte Freundschaft verlangt Tiefe: Oder mit wem sonst soll man politische Fragen, persönliche Entscheidungen, philosophische und theologische Themen so erörtern, dass es einen berührt? Und: Freundschaft braucht gegenseitiges Interesse an dem, was die und den anderen umtreibt, familiär und beruflich. Freundschaften gelingen nur, wenn sich Menschen auf Augenhöhe begegnen.

In der Bibel wird all das mit dem Begriff „Liebe“ umschrieben (1.Kor.13). Aber wer will sich schon über Begriffe streiten - für dieses Paar war wichtig: Unsere Liebe zeigt sich darin, dass wir einander in tiefer Freundschaft zugetan sind. Übrigens kommt in der Bibel der Gedanke der Freundschaft gar nicht so selten vor. Schon von Abraham und Moses wird gesagt, sie seien „Freunde Gottes“. Jesus nennt seine Jüngerinnen und Jünger „meine Freunde“. Andere reden von ihm als „Freund der Zöllner und Sünder“. Besonders schön ist: Jesus vergleicht Gott mit einem, der wie ein wahrer Freund fraglos und bedingungslos und voller Vertrauen einem ihn bittenden Freund helfen wird (Luk. 11,5-8).

In der Bibel ist die Gabe der Freundschaft wie die Gabe der Liebe ein Gottesgeschenk – für Liebespaare, für Frauen und Männer, für Kinder, für Jugendliche. Beide Gaben brauchen das Gebet und den Segen Gottes – nicht nur und nicht erst bei Hochzeiten!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=6274
weiterlesen...