SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

„Zwischen einer gepflückten Blume und der andern geschenkten / das unausdrückbare Nichts“ – ein kurzes Gedicht von Guiseppe Ungaretti, das es in sich hat. Blumen pflücken oder kaufen ist eines, Blumen geschenkt bekommen etwas völlig anderes. Da liegen Welten dazwischen. Hier die eigene Initiative und Leistung, dort kommt mir etwas entgegen, was ich weder verdienen noch leisten kann – reineweg umsonst, geschenkt. Zwischen Eigenleistung und Geschenk „das unausdrückbare Nichts“ - Nichts von alledem, was unsereiner sich vorstellen oder herstellen kann. Denn Geschenke haben mit Liebe zu tun, mit Zuwendung und Achtsamkeit; sie sprengen jeden Erwartungs- und Verrechnungszusammenhang. Da taucht etwas ganz anderes auf. Aber was?
Giuseppe Ungaretti hat seinem Gedicht einen Titel gegeben: „Eterno“, also: „Ewig“. Der Unterschied „zwischen einer gepflückten Blume und der geschenkten“ gilt immer, er gehört zur Ordnung des Lebens. Gott sei Dank! Denn nichts brauchen wir mehr als Geschenke, und gerade die können wir weder leisten noch erzwingen. Jedes Geschenk lässt uns spüren, dass wir von was anderem leben als unserer Leistung bloß. Jede Gabe weist über sich hinaus. Sie sprengt unser Vorstellungsvermögen, sie ist wie eine Verheißung. Mitten im Vielerlei ein Moment der Ewigkeit.
Ob solche Gedichte uns aufmerksamer machen für das Wunder des Daseins, für das unaussprechliche Dazwischen. Ein liebevoller Blick, eine schöpferische Pause im Gespräch, ein heimliches Gedenken – Hauptsache, das Wunder wird spürbar, das Geschenk. „Das war aber nicht nötig“, sagt die Gastgeberin, wenn man ihr etwas schenkt. Recht hat sie. Geschenke sind nicht nötig, so wie Essen und Trinken. Aber sie sind viel nötiger, wir leben davon.. „Zwischen einer gepflückten Blume und der andern, geschenkten – das unaussprechliche Nichts“. Solch ein Gedicht mag auf den ersten Blick alltagsfern wirken Auf den zweiten aber ist es wie ein Bergkristall im Geröll des Alltäglichen. Diesen Tag wie eine geschenkte Blume in Empfang nehmen, mit seinen Chancen und Überraschungen, auch mit seinen Problemen – also „das unaussprechliche Nichts“ erspüren. Das wäre doch einen Versuch wert.


https://www.kirche-im-swr.de/?m=6244
weiterlesen...