SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

„Geh aus, mein Herz, und suche Freud in dieser lieben Sommerzeit / an deines Gottes Gaben; / schau an der schönen Gärten Zier und siehe, wie sie mir und dir sich ausgeschmücket haben...“ Ein wunderbarer Liedtext. Der Dichter Paul Gerhardt fordert zunächst einmal sich selber auf. Er möge doch endlich aus sich herausgehen und sich lustvoll überwältigen lassen! Dass es draußen grünt und fruchtet, ist ja keineswegs selbstverständlich. Es ist, als gäbe der Dichter sich selbst und uns einen Schubs: Mach doch die Augen auf, es ist schön in der Welt.
Das Lied passt gut – auch heute noch. Gestern war nämlich Sommeranfang, und durch die Klimaerwärmung ist er längst im Gange. „Die Bäume stehen voller Laub, / das Erdreich decket seinen Staub / mit einem grünen Kleide; / Narzissus und die Tulipan, / die ziehen sich viel schöner an / als Salomonis Seide...“ Staunend steht der dichtende Pfarrer Gerhardt vor der Vielfalt der Natur, 15 Strophen lang durchwandert er die Schöpfung. Singend und betend würdigt und bewahrt er sie. „Ich selber kann und mag nicht ruhn, / des großen Gottes großes Tun / erweckt mir alle Sinnen; / ich singe mit, wenn alles singt, / und lasse, was dem Höchsten klingt, / aus meinem Herzen rinnen.“ Paul Gerhardt blickt in die Welt und macht daraus ein Danklied an den Schöpfer; ein Loblied auf die Schöpfung. Die Welt erscheint ihm wie ein einziger Paradiesesgarten.
Ist das nicht ein bisschen blauäugig und übertrieben – in Zeiten der Umweltverschmutzung und gentechnologischer Manipulation? Aber Achtung: Paul Gerhardt, evangelischer Pfarrer im 17. Jahrhundert, war kein Träumer oder Schönfärber. Das Lied ist fünf Jahre nach dem Ende eines schrecklichen Krieges entstanden. Dreißig Jahre verwüstete er ganz Europa. Im Lied klingt noch die ganze Erleichterung über den Frieden mit. Endlich Schluss mit Zerstörung, mit Hunger und Not. Wie schön ist die Welt draußen, wenn die Menschen innerlich Frieden finden und stiften. Der Paradiesesgarten draußen und das Seelenparadies drinnen – sie gehören zusammen. „Hilf mir und segne meinen Geist / mit Segen, der vom Himmel fleußt / dass ich dir stetig blühe“ /. Das Grünen und Blühen draußen wird zum Bild für das Aufblühen innen. Die reichen Früchte, die jetzt die Märkte und Geschäfte füllen, werden zum Bild innerer Fruchtbarkeit. „Mach in mir deinem Geiste Raum, / dass ich dir werd ein guter Baum, und lass mich Wurzel treiben...“ https://www.kirche-im-swr.de/?m=6242
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