SWR3 Gedanken

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»Unser täglich Brot«. Die Wendung aus dem Vaterunser. Wenn Sie in einer Stadt wohnen, können Sie diese Worte zur Zeit groß lesen, an Ihrem Kino. So heißt nämlich ein Dokumentarfilm, der nun gestartet ist. Der Österreicher Nikolaus Geyrhalter geht darin der simplen Frage nach, wo eigentlich das herkommt, was täglich auf unserem Tisch landet. Einfache Frage eigentlich – aber wer von uns weiß wirklich und fragt nach, wie unser Essen so produziert wird. Außer bei ’nem Fleischskandal vielleicht mal.
In diesem Film gibt es keine Interviews, kein Kommentar. Es werden auch keine Konzernchefs vorgeführt. Also keine moralischen Geländer. Wir werden als mündige Zuschauer in die Lage versetzt, uns überhaupt ein Bild der Dinge zu machen.
In »Unser täglich Brot« vertraut der Wiener Filmemacher allein auf die Bilder und Geräusche der Lebensmittelherstellung, wie man sie als Konsument normalerweise kaum zu Gesicht bzw. zu Gehör bekommt.
Schon spannend – denn was uns sonst in der Werbung vorgegaukelt wird, mit Bauernhof und Milcheimer aus dem Stall, dem Käsekessel und kleingeschnittenen Gartenkräutern vom Brett, oder dem Schlachtfest mit der Wurst, geräuchert wie bei Oma, das ist alles nur ’ne Inszenierung. In der Realität, die der Film zeigt, sammelt eine Art Kehrmaschine die Küken ein, und die automatische Rinder-Schlachtung erinnert an die Technik der Automobilherstellung. Ein Spiegel unseres Wertekanons: wenige produzieren für uns alle viel, einfach, schnell und sauber.
Müssten wir nicht beten: „Vergib uns unser täglich Brot.“, angesichts dieses Alptraums aus Ordnung und Effizienz, den wir täglich selber als Kunden und Konsumenten im Supermarkt in Gang halten?
„Brot“ ist weit mehr als nur Brot. Es ist seit Jahrtausenden Sinnbild von Nahrung, körperlicher und seelischer Kraft, Lebenskraft, durch Frieden mit der Schöpfung. Die Brotbitte schließt auch Verantwortung für Pflanzen und Tiere mit ein: also ein anderes Bewusstsein. „Unser täglich Brot gib uns heute“ heißt es im Gebet (Matthäus 6,11), das Millionen von Christen beten. Ein Stück Protest gegen diese Art von maschinenfreundlicher Nahrungsmittelproduktion. Gott sei Dank.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=624
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