SWR3 Gedanken

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Sie gilt als „Sensation“: die monumentale Stein-Anlage von Göbekli Tepe, auf deutsch: „Berg mit Nabel“, in der Türkei. Manche sprechen sogar vom „Jahrtausendfund der Archäologie“. Im Badischen Landesmuseum Karlsruhe sind die Funde jetzt ausgestellt. Was soll da sensationell sein?
Zum einen das hohe Alter: 12.000 Jahre. Und dann sind’s diese riesigen T-förmigen Steinpfeiler selbst. Mehrere Meter hoch sind sie, bis zu 30 Tonnen schwer. Und wie sie verziert sind: mit hinreißenden Reliefs, meist von Tieren! Abbildungen von Schlangen, Kranichen und Keilern, von Vögeln, Stieren und Füchsen. Man kann davon ausgehen, dass wir hier das älteste Bauwerk der Menschheit gefunden haben: und das ist eine Tempelanlage.
Das Besondere dieser Anlage: Sie scheint den Übergang der Menschheitsgeschichte zu markieren: der Mensch der Urzeit gibt sein Jäger- und Sammler-Dasein auf und wird sesshaft. Also nicht nur hungrig wilde Tiere jagen, sondern sie zähmen und züchten, hegen und pflegen. Nicht nur das Wildgetreide im Vorbeigehen futtern, sondern sorgfältig und systematisch sammeln, bevor’s auf dem Boden liegt. Und etwas davon fürs nächste Jahr aufheben und es wieder aussäen.
Was für eine Umstellung! Für einen wandernden Jäger ist Besitz Ballast, aber ein Bauer braucht Vorratsgefäße fürs Saatgut. Das ändert völlig das bisherige Denken und Leben. Auch die Einstellung zur Natur: eine „Revolution“! Und in der Bibel steht übrigens ihre Parole: »Mach Dir die Erde untertan!«
Gemeint ist damit, dass sich der Mensch traut, in die Schöpfung einzugreifen, Steine zu bearbeiten, Holz zu fällen und zu bauen: Du darfst pflügen und säen, jagen und züchten, essen und trinken, ohne schreckliche Angst- und Schuldgefühle zu hegen, weil Du die Natur veränderst. Du musst nichts dafür opfern! Keine Tiere, auch keine Menschen.
Das meint diese erste große Freiheitsparole der Menschheit: »Mach dir die Erde untertan«, und zwar wie eine gute Mutter, wie ein umsichtiger Herrscher! Bebaue und bewahre die Natur, fürsorglich, nachhaltig. Sei gut zu ihr – sie ist ja auch gut zu Dir. Fürchte Dich nicht!
Erst die Neuzeit hat jedes Maß dabei verloren.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=623
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