SWR4 Abendgedanken RP

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Jugend hat keine Tugend, sagen manche. Jugendliche hätten keine Werte, schon gar keine christlichen. In der Schule habe ich als Lehrer die Entdeckung gemacht: Jugendliche haben durchaus Tugenden und haben Werte, die sich aus dem christlichen Glauben nähren.
Ich möchte Ihnen von Schülern der Georg-Forster-Gesamtschule in Wörrstadt erzählen. Was sie in Religion im Fach Christliche Ethik für sich entdeckt haben und wie sie sich weiter engagieren.


Teil I
Es gibt so ein gängiges Vorurteil, das lautet: die Jugendlichen von heute interessieren sich für nichts, weder für Glaube und Religion noch für Politik.
Schüler der Georg-Forster-Gesamtschule in Wörrstadt widersprechen diesem Vorurteil. Maria Kronenberger aus der 12. Klasse formuliert ihre Wertvorstellungen so:

Für mich sind die Gebote von Nächstenliebe wichtig, denn ich denke, man sollte seinen Nächsten so behandeln, wie man selbst behandelt werden möchte und ich denke, dass man alle seine Mitmenschen gleich behandeln sollte und nicht bevorzugen oder benachteiligen.

Nächstenliebe ist für sie zusammen gefasst in dem Sprichwort: Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem andern zu. Der Gedanke der Nächstenliebe stammt aus der Bibel. Jesus bezieht sich immer wieder auf die 10 Gebote, die manche Schüler vom Konfirmandenunterricht her kennen. Und Maria Kronenberger weiß auf Anhieb noch folgende Gebote zu benennen.

Man soll nicht lügen und nicht stehlen und nicht töten und seinen Nächsten so behandeln, wie man sich selbst behandeln würde oder selbst behandelt werden möchte.

Das sind für sie wichtige Grundlagen ihrer alltäglichen persönlichen Entscheidungen. Und sie kann sich auch gut vorstellen, wie es unter uns zuginge, wenn jeder nur an sich selber denken würde.

Da würd’s keine Gemeinschaft geben und Leute könnten nicht miteinander umgehen und es würd´ mehr Streit und Kriege geben, wenn jeder nach seinen Rechten leben würde.

Für Maria Kronenberger eine schlimme Vorstellung.
Samuel Schneider auch aus der 12. Klasse, sieht das ganz ähnlich:

An christlichen Werten ist mir vor allem der Punkt wichtig der Nächstenliebe, weil nur, wenn man seinen Nächsten so behandelt wie sich selbst, dann kann ‚ne Gesellschaft überhaupt funktionieren, weil sonst, wenn jeder das machen würde, wenn jeder selbst sich in den Vordergrund stellen würde, dann würde die Gesellschaft zusammenbrechen, also, das ist ein sehr wichtiger Grundsatz.

Und weil dieser Grundsatz für ihn so wichtig ist, hat er sich im Unterricht mit der Geschichte Europas auseinandergesetzt. Im 18. und 19. Jahrhundert haben sich die europäischen Staaten in fremden Erdteilen Völker unterworfen, das ist der so genannte Kolonialismus. Die Spuren dieser Unterwerfung, die den Menschen großes Leid zugefügt hat, sind auch heute noch unübersehbar.

TeilII
Haben Jugendliche auch christliche Werte? Fragen viele. Ja, sage ich. Als Religionslehrer der Georg Forster Gesamtschule in Wörrstadt habe ich die Erfahrung gemacht: Für viele Schülerinnen und Schüler der 12. Klasse sind die 10 Gebote und die Nächstenliebe wichtige Lebensgrundsätze. Einige von ihnen haben Aufsätze geschrieben zu wichtigen ethischen Problemen. Samuel Schneider, Schüler der 12. Klasse hat sich mit dem Thema Kolonialismus beschäftigt.

Der Kolonialismus war früher vor allem im Bereich Afrika: Da haben sich die europäischen Länder Afrika, Teile von Afrika einfach angeeignet, die sind darein, nach Afrika und haben Teile erobert, haben dann Raubbau begangen, haben Rohstoffe gestohlen, haben dann auch noch das Volk unterjocht, haben Sklaven sich genommen.

Das war nicht nur in Afrika so, Deutschland, England, Spanien, Portugal, Holland, Frankreich, Belgien, sie alle haben versucht, rohstoffreiche Länder zu erobern, dabei kamen viele hunderttausende Menschen ums Leben, und, was nach christlichen Wertvorstellungen eher unvorstellbar war, sie haben Menschen ihrer Menschenwürde beraubt und sie zu Sklaven gemacht.
Das Schicksal dieser Sklaven hat Samuel Schneider besonders berührt:

Das Schicksal der Sklaven war, dass sie, dass sie alles für ihre Herren, sag ich mal, tun mussten die hatten dann keine Möglichkeit mehr, daraus zu kommen, und sind dann abtransportiert worden nach Europa, auch später dann nach Amerika, vor allem war das ziemlich viel, die mussten dann auf Baumwollplantagen zum Beispiel arbeiten.

Dieses Wissen ist auch in einer dramatischen Geschichte verarbeitet worden, sie ist mehrfach verfilmt worden, es ist der Roman: Onkel Toms Hütte. Durch diesen Roman kann man verstehen, wie schlimm die Arbeitsbedingungen wirklich waren, wie sehr die Arbeitskraft der Sklaven ausgebeutet wurde und wie wenig Rechte sie hatten. Auf dem Hintergrund dieser schlimmen Erfahrungen haben sie in ihrer Musik, in den Gospelsongs, Hoffnung und Kraft gefunden. Zum Beispiel das berühmte „Oh when the saints go marching in“. Diese ganz eigene Musik half ihnen, dieses Elend ertragen und durchstehen zu können.
Heute ist die Sklaverei abgeschafft und weltweit geächtet. Auch ein Ergebnis der christlichen Werte, die Menschen innehalten und zur Einsicht kommen ließen.
Und doch ist die Sklaverei heute nicht wirklich beseitigt, wie Samuel Schneider weiß.

In den Entwicklungsländern gibt’s immer noch Kinderarbeit in Industrien oder auch noch normalen Sklavenhandel auf Baumwollplantagen. Wir sind eigentlich alle davon noch heutzutage betroffen, die Kleidung allein, die wir anziehen, wenn wir irgendwelchen billigen T-Shirts kaufen für nur 5 €, man weiss nicht unbedingt, wo die her kommen, die können kleine Kinder gemacht haben, die können Sklaven gemacht haben, oder Arbeiter aus der Dritten Welt, die Billiglohn bekommen, wir wissen gar nicht so wirklich, was dahinter steckt, damit ist eigentlich jeder betroffen, da muss sich jeder mal mit auseinandersetzen.

Jeder von uns hier ist von den schlimmen Verhältnissen in den Entwicklungsländern betroffen, haben die Schüler herausgefunden. Denn vieles, was wir hier kaufen, Schnäppchenware vor allem, hat etwas mit der Sklavenarbeit in diesen Ländern zu tun.
Die Welt ist klein geworden - aus der Sicht der Jugend heute. Sie sehen viele Zusammenhänge, die der älteren Generation so noch nicht wirklich deutlich geworden sind.
Was tun? Kann man versuchen den christlichen Werten von Nächstenliebe auch in solchen Fällen Geltung zu verschaffen?
Samuel Schneider hat sich wie viele andere dazu seine Gedanken gemacht, darüber mehr nach der nächsten Musik.



Teil III
Jugendliche machen sich Gedanken über das Unrecht in der Welt. Wie die Armut in den Entwicklungsländern etwas mit uns zu tun hat. Sklaverei gab es nicht nur früher, auch heute können Menschen nicht von ihrer Hände Arbeit leben, auch wenn sie hart arbeiten. Schülerinnen und Schüler der 12. Klasse der Georg Forster Gesamtschule in Wörrstadt haben darüber geforscht. Was tun gegen Ungerechtigkeit in der Welt? Samuel Schneider hat eine Idee, was man dagegen tun kann.
Ja, vor allem erst mal Aufklärung, wir leben ja jetzt alle in Deutschland, in `ner freien Demokratie und wir kennen das ja gar nicht, dass das sein kann, dass T-Shirts oder irgendwelche Kleidungsstücke da von Kindern gefertigt werden, dass man vielleicht zu so einem Boykott aufruft, dass man diese Waren dann nicht mehr kauft und dann müssen sich auch die Länder dann umstellen, dass sie eben keine Kinderarbeit mehr betreiben.

Eigentlich ist es ja ganz einfach. Wenn Produkte von Kindern hergestellt werden oder zu einem unfairen Lohn produziert werden, dann gilt es einfach, diese Dinge nicht mehr zu kaufen. Dazu müsste man sich natürlich informieren. Wo kommt das her, was ich kaufe? Wer hat es gemacht? Warum ist es so billig? Samuel Schneider setzt auf Aufklärung. Was durch Ausbeutung von Menschen hergestellt wird, sollte einfach nicht mehr gekauft werden. Man kann auch mit gerechtem Lohn einen Gewinn machen, wissen manche modernen Manager. Samuel Schneider hat sich selbst etwas vorgenommen, das ich interessant finde.

Ja in Zukunft könnt ich vor allem darauf achten, es gibt ja diese Siegel „Fair Trade“, dass Waren auch aus Ländern kommen, von Leuten kommen, die mit normalem Lohn behandelt wurden und keine Kinderarbeit und dass die Leute dann anständig versorgt werden in den Ländern, dass sie normale Verhältnisse dann haben und es ist dann ziemlich wichtig, dass man solche Organisationen da unterstützt, damit die dann mehr hervorkommen, dass es dann mehr von diesen Organisationen gibt.

Aus Nächstenliebe darauf achten, wie die Waren für uns produziert werden. Das gilt für die Nahrungsmittel in unserem Alltag, das gilt zum Beispiel für Milch, für die unsere Bauern immer weniger Geld bekommen, das gilt für Kleider, die in Billiglohnländern unter schlimmen Arbeitsbedingungen produziert werden und vieles mehr. Die Warenzeichen: Fair Trade bedeutet: Mit diesem Produkt wird fairer Handel getrieben. Dieses Zeichen zeigt: Kleinbauern bekommen angemessene Preise für Kaffee, Kakao und Bananen. Übrigens, diese Bananen, die inzwischen auch Discounter hier verkaufen, schmecken viel besser.
Kolonialismus, Sklavenarbeit und Kinderarbeit- die gibt es auch heute noch, wissen die Schüler der 12. Klasse der Gesamtschule. Und sie haben sich vorgenommen, dagegen etwas zu tun. Und zwar aufgrund ihrer christlichen Überzeugung und mit dem Gebot der Nächstenliebe.

Vor allem mit der Nächstenliebe, man muss ja auch sich um andere kümmern, selbst wenn man nur ein T-Shirt kauft muss man denken, was dahinter steckt eigentlich.

Erkennen, was dahinter steckt und dann neue Wege gehen. Das werden viele tausend Schülerinnen und Schüler in den kommenden Wochen bis zum Beginn der Sommerferien tun. Denn sie werden einen Tag lang für die Aktion „Tagwerk“ arbeiten.
So unterstützen die Schülerinnen und Schüler der Georg-Forster-Gesamtschule in Wörrstadt zum Beispiel ein Kinderhilfsprojekt in Südafrika.
Ja, Jugend hat Tugend, hat auch heute noch christliche Werte. So habe ich das erlebt und freue mich, dass wir Älteren von diesen Jugendlichen selbst eine Menge lernen können. https://www.kirche-im-swr.de/?m=6223
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