SWR3 Gedanken

SWR3 Gedanken

„Du, Frau Wüst, wohnst du in der Kirche?“ Frage der kleinen Selina. „Klar!“ Ihre Freundin Natascha weiß es ganz genau. „Die ist doch Pfarrerin. Natürlich wohnt die in der Kirche.“ Aber Kilian setzt noch einen drauf. „Quatsch, in der Kirche wohnt doch Gott. Da paßt sonst keiner mehr rein. Auch die Frau Wüst nicht.“ Zufrieden lehnt er sich auf seinem Stuhl zurück und verschränkt die Arme.

Selina und Natascha schauen mich erwartungsvoll an. „Nein, ich wohne nicht in der Kirche und ich glaube schon, dass Gott irgendwie in unserer Kirche wohnt,“sage ich. „Seht ihr“, sagt der Blick des kleinen Kilian. „Aber trotzdem sind da auch ganz viele Menschen zu Hause“, sage ich. „Hä?“ Kilian ist irritiert.

Und dann erzähle ich, wie das am Sonntagmorgen abläuft. Dass um neun Uhr die Kirchentür aufgeht und die ersten Menschen kommen. Dass sie die Treppe hochsteigen und den Kirchenraum betreten. Dass Sonnenstrahlen ihre Augen kitzeln, während sie sich einen Platz suchen. Dass viele schon einen Platz haben, auf dem sie immer sitzen.

Dann erzähle ich, wie munter manche miteinander plaudern, weil sie sich freuen, einander zu treffen. Und dass manche ganz still in der Bank sitzen, mit geschlossenen Augen und sich mit Gott unterhalten. Weil sie sich ihm in der Kirche so nah fühlen. Und dass das nicht nur in unserer Kirche so ist, sondern in ganz vielen Kirchen. Weil Kirchen genau das sein sollen. Ein Ort, an dem Gott wohnt und an dem Menschen sich zu Hause fühlen.

„Wie lieblich sind deine Wohnungen, Herr Zebaoth“, steht über dem Eingang unserer Kirche. Damit alle Menschen wissen, dass hier ein Ort ist, an dem man Gott finden kann. Und der lädt Menschen ein, große und kleine, sich hier zu Hause zu fühlen . Kilian nickt. Natascha nickt.

„Und wo ist das Klo von dem Gott?“ will Selina wissen. Na, das ist wieder eine ganz andere Geschichte.
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