SWR3 Gedanken

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„Du, Frau Wüst, hast du schon unsere Lulu gesehen?“ Drei kleine Mädchen stehen aufgeregt vor mir, eine hält mir ihren Unterarm hin. Nein, ich habe keine Ahnung, wer Lulu ist. Aber irgend etwas bewegt sich auf dem Unterarm. Ein langbeiniger Weberknecht stakst Richtung Kinderhand. Ich unterdrücke ein Schaudern.

„Ist Lulu nicht süß?“ fragen die drei. Nein, ist sie nicht. Ich hasse alles, was acht Beine hat. Und Lulu ist ein Prachtexemplar der Gattung Spinnentier. „Willst du sie mal streicheln?“ fragt eines der Mädchen. Ganz bestimmt nicht. Ein bißchen enttäuscht sehen mich die drei an. Wie kann man nur Lulu nicht mögen?

Schließlich zucken sie die Achseln und gehen davon. Mit Lulu. Und lassen mich ein wenig beschämt zurück. Denn in gewisser Weise haben die Mädels ja recht. Auch Lulu ist ein Geschöpf Gottes. Und ein Wunder der Natur. Immerhin gibt es weltweit ungefähr 4000 Arten allein von Lulus. Und circa 38.000 Arten von Spinnentieren. Das sind beeindruckende Zahlen.

Und die Tiere selbst sind ja auch beeindruckend. So ein Weberknecht kann zum Beispiel einen Körper von gerade mal sechs Millimeter Größe haben. Aber Beine, die sechzehn Zentimeter lang sind. Und harmlos sind sie auch noch. Turnen vor allen Dingen nachts durch die Gegend und ernähren sich von mikroskopisch kleinen Tieren. Und leisten so ihren Beitrag zum Kreislauf der Natur.

Trotzdem mag ich Lulu nicht als Haustier halten. Zumal sie sich in der freien Natur sicherlich viel wohler fühlt als in einem Schuhkarton in einem Kinderzimmer. Und wenn sich Lulu so durch die Wiese hangelt, überkommt mich noch immer ein leichter Schauder. Aber auch eine gewisse Achtung vor der Vielfalt und Durchdachtheit, mit der Gott seine Welt eingerichtet hat.
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