Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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17. Juni – Moment, da war doch was!
Ja genau, da war was.
Bis zur Wiedervereinigung war der 17. Juni als „Tag der deutschen Einheit“ in Westdeutschland ein Feiertag, doch trotz aller politischen Veranstaltungen und Reden dürfte das bei vielen in Vergessenheit geraten sein. Mit diesem Feiertag gedachte die Bundesrepublik Deutschland des Volksaufstandes in der damaligen Deutschen Demokratischen Republik, der am 17. Juni 1953 von Truppen der Nationalen Volkspolizei und der sowjetischen Armee blutig niedergeschlagen worden war. Die Arbeitsnormen für Ostberliner Bauarbeiter waren erhöht worden, die darauf in Streik traten. Das war der Zündfunke für einen landesweiten Aufstand der Arbeiter gegen das SED-Regime. Endpunkt einer langanhaltenden Unzufriedenheit der Bevölkerung, die sich v.a. in der Flucht vieler Menschen in die Bundesrepublik dokumentierte. Deswegen hatte die DDR die Zonengrenze schon 1952 durch eine 5 –km- Sperrzone abgeriegelt und 1961 die Berliner Sektorengrenze durch eine Mauer.
Unter all diesen Umständen war der „Tag der deutschen Einheit“ eher ein frommer Wunsch als eine realistische Erwartung.
Wir wissen, dass alles anders kam. Wir haben die Bilder des Mauerfalls noch vor Augen. Und wir merken, dass der Begriff der deutschen Einheit eine neue und auch nicht unproblematische Dimension bekommen hat. Es gibt noch so vieles zwischen den alten und neuen Bundesländern, was nicht vereint ist. Ob Löhne und Gehälter, die Zahl der Arbeitslosen, die Parteienlandschaft oder das Problem der Rechtsradikalen. Vieles wäre zu nennen, was sehr unterschiedlich geblieben ist.
Das gilt auch für die kirchliche Entwicklung.
Beispielhaft dafür ist für mich der kürzlich gescheiterte Volksentscheid der Initiative pro Reli, die sich für einen gleichberechtigten Religionsunterricht in den Berliner Schulen neben dem Fach Ethik eingesetzt hatten. Während sich im Westen der Stadt im Schnitt 2/3 der Menschen für die Gleichberechtigung von Ethik und Religion aussprachen, waren es im Ostteil nur rund 1/3. Ohne Wertung muss zur Kenntnis genommen werden, dass hier viele Wähler mit Religion nichts zu tun haben und die Vermutung liegt nahe, auch darum, weil sie mit Religion und Gott nie was zu tun bekommen hatten. Hier sind die Kirchen eindeutig herausgefordert. Nicht nur zu informieren, sondern zu missionieren. Zu überlegen, welchen konstruktiven Beitrag sie zum Leben in den neuen Bundesländern leisten wollen und können.
Interessanterweise war ein Slogan der Ethikbefürworter: Gemeinsam, nicht getrennt.
Genau das sollten sich auch die Kirchen auf ihre Fahnen schreiben.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=6180
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