Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Bei uns im Westerwald wird die Kirmes noch gefeiert. Was nicht jeder mehr weiß: Kirmes hat etwas mit Kirche zu tun, genauer gesagt, es ist das Fest zum Weihetag der jeweiligen Kirche im Ort. Deswegen liegen der Kirmestermin und der ihrer Einweihung oft eng beieinander.
Längst vorbei sind allerdings die Zeiten, wo mit der Kirchweih große Jahrmärkte einhergingen, die – angelehnt an den Gottesdienst – „Messe“ genannt wurden, weshalb wir heute noch von „Buchmessen“, „Automobilmessen“ oder „Handwerksmessen“ reden.
Trotzdem das alles in Vergessenheit geraten ist, ist die Kirmes in unseren Breiten, also dem Westerwald, immer noch ein Top Event. Die Jugend stellt den Kirmesbaum, es gibt Tanz und Musik, Fahnen werden gehisst, Girlanden geflochten – im besten Sinne des Wortes herrscht Jubel, Trubel, Heiterkeit.
Es gibt sie noch, die älteren Leute im Dorf, die davon erzählen, dass die Kirmes früher das einzige öffentliche Fest war, auf das man sich monatelang freute, darauf vorbereitete und dafür sparte. Auch wenn Freizeitveranstaltungen sich heute inflationär anhäufen, hat die Kirmes im Vergleich zu manch anderer Gaudi ihren Sinn.
Ähnlich wie andernorts die Stadtteil- oder gar Straßenfeste vermittelt sie dörfliche Identität. Das Zusammengehörigkeitsgefühl wird gestärkt, genauso wie das Bewusstsein, aufeinander angewiesen zu sein. Das ist überlebenswichtig für eine Gemeinschaft, in der die Jungen mesit die Woche über weitab in der Stadt leben und arbeiten. Seit Jahren bewerben wir als Kirchenvertreter zudem alle Ortsleut’, besonders die in den Vereinen organisierten, die weltliche Feier wieder mit der kirchlichen zu verbinden. Und das gelingt! Die kommen dann auch, in ihren Vereinstrachten, mit Fahnen und sonstigen Ehrenzeichen und bereichern dieses schöne Fest.
Ich bin sicher dass in unseren Dörfern die Kirmes überleben wird und auch in einer multikulturellen Gesellschaft ihren respektierten Platz hat, wenn Kirche und Wirtshaus, Gebet und Lebensfreude nicht auseinandergerissen werden, sondern eine fröhliches Ganzes bilden, das Leib und Seele zusammenhält.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=6178
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