Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Immer mal wieder begegne ich Menschen, die halten nichts vom Glauben. Kirche ist für sie etwas von gestern oder vorgestern, in Gedanken von Staub bedeckt, allenfalls geeignet für den Zeitvertreib, nicht aber für ein gelingendes Leben. „Ich brauche keinen Glauben! In der Kirche wird mir der Spaß am Leben verdorben. Ich will das Leben genießen in vollen Zügen – dabei hilft mir der Glaube nichts!“ – so die Äußerung eines Mitvierzigers vor einigen Wochen.
Mich erschreckt es immer wieder, wie verkrustet sich solche Kirchenmeinungen in den Köpfen mancher Zeitgenossen halten können.
Es mag vorkommen, dass bei uns Menschen, die wir Kirche verkörpern, manchmal mehr Starre und Leblosigkeit als Dynamik und Lebenslust zu sehen sind. Aber dies ist doch nicht alles! Im Gegenteil – gerade in unseren Kirchen, bei dem, was wir glauben, gerade da geht es doch um Leben, um Lebensfreude, um Begeisterung – nicht erst irgendwann im Jenseits, sondern bereits hier und heute!
Ich selbst erfahre Gott als einen, der das Leben liebt und sich „freut an seinen Geschöpfen“. Da passt es nicht, größtenteils griesgrämig, mit leichenblasser Miene, immer nur ernsthaft bemüht, meine Ordnung zu wahren, den Alltag zu gestalten. Als Christen müssen wir zum Lachen doch nicht in den Keller gehen, so dass es andere nicht sehen – nein, wir dürfen leben, wir dürfen und können genießen (auch das gehört zum Leben!) – und diese Lust am Leben dürfen wir auch zeigen!
„Lasst uns dem Leben trauen, weil wir es nicht allein zu leben haben, sondern Gott es mit uns lebt“ – in diesem Satz von Alfred Delp, einem aus Mannheim stammenden Jesuitenpater, der im Dritten Reich hingerichtet wurde, in diesem Satz wird deutlich, worum es in unserem Glauben geht: Du darfst dem Leben trauen, Du bist nicht allein, andere Menschen begleiten Dich, und Gott auch.
Gerade auch, weil ich das Leben liebe, gerade, weil Leben auch „genießen“ heißt, auch deshalb glaube ich an Gott.
Schon lange, seit über 25 Jahren in meinem Dienst als Priester, begleitet mich dieser Satz – und deshalb sage ich ihn noch einmal – vielleicht kann er auch sie begleiten: „Lasst uns dem Leben trauen, weil wir es nicht allein zu leben haben, sondern Gott es mit uns lebt“.


https://www.kirche-im-swr.de/?m=6170
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