SWR4 Sonntagsgedanken

SWR4 Sonntagsgedanken

Teil I
Heute ist Pfingsten und wir feiern Geburtstag. Den Geburtstag der Kirche. Nicht allein die Kirche bei Ihnen Zuhause und nicht allein die Kirche in Deutschland ist gemeint. Nein, an Pfingsten hat die weltweite Kirche Geburtstag. Die Kirche als Gemeinschaft aller Men-schen in allen Nationen und Kulturen, die an den auferstandenen Jesus Christus glauben. Vor vielen Jahrhunderten ist sie entstanden und das feiern wir heute. Damals war es gar nicht sicher, dass es die Kirche je geben würde. Die Freundinnen und Freunde Jesu hat-ten nämlich große Angst. Jesus, dem sie vertraut hatten, war als Staatsfeind hingerichtet worden. Deshalb verkrochen sie sich in ihre Häuser. Sie hatten Angst, dass man sie auch verhaften und einsperren würde. Doch auf einmal kam Gottes Geist über sie. Die Sorge war plötzlich weg und die Hoffnung groß. Wenn sie weiter im Geist Jesu miteinander le-ben würden – dann könnte das Leben neu werden. Dann könnte jeder das haben, was er zum Leben braucht.

Von diesem Gedanken beflügelt gingen sie mutig hinaus auf die Straßen und Plätze. Sie erzählten von Jesus, was sie mit ihm erlebt hatten. Und da geschah es. Viele der Men-schen, die sie hörten, lachten sie nicht etwa aus. Im Gegenteil: Sie ließen sich taufen und kamen zur Gemeinde. Und so war dieses Pfingsten vor knapp 2000 Jahren der Entste-hungstag der Kirche.

In der Kirche ist seitdem viel passiert. Aufopferungsvoll wurden Kranke gepflegt und Sterbende begleitet. Furchtlos wurde versucht, Verfolgte zu schützen und gegen jede Verzweiflung Frieden zu stiften. Millionen haben Gottes frohe Botschaft der Liebe und Jesu Geschichten vom gelingenden Leben gehört.

Nun muss man aber auch sagen, dass es dunkle Zeiten in den vielen Jahren gab. Men-schen haben die Kirche missbraucht, um ihre eigenen Interessen durchzusetzen. Man-chen ging es um Macht und Geld. Sie haben so getan, als wären sie Gott. Sie haben be-hauptet, alle anderen Religionen seien zu verdammen. Im Namen der Kirche wurde ge-mordet und verfolgt. Aber es gibt sie trotzdem noch. Weil Gottes Geist immer wieder Menschen beflügelt hat, zu ihm zurück zu finden. Viel Schaden wurde angerichtet. Aber die Liebe, das Vergeben, die Hilfe, sie waren stärker. Deswegen gibt es die Kirche noch heute. Beflügelt von Gottes Geist, offen füreinander, getragen von Gottes Frieden – der höher ist als alle Gewalt. Deswegen können wir heute beschwingt ihren Geburtstag fei-ern.

Teil II
Wenn ich mir die Kirche, unser Geburtstagskind, genauer ansehe, entdecke ich auch, dass die trotz ihres hohen Alters wahrlich nicht von gestern ist. Viele Jugendliche auf der ganzen Welt singen ihre Lieder. Tausende setzen sich auch in unserem Land für ihre Kir-chengemeinden ein. Und für andere Menschen. Aus ihrem Glauben schöpfen sie die Kraft, in Situationen zu gehen, in denen es Menschen schlecht geht. Sie hören zu und packen mit an. Sie helfen, teilen Freude und Leid. Sie wissen: Jesus sprach nicht von Honig und Marmelade, sondern vom Salz der Erde und vom Licht der Welt. Ihr seid es, hatte er ge-sagt. Das wirkt jung und kraftvoll. Gottes Geist ist auch heute noch am Werke, gibt Men-schen Kraft und Hoffnung, verlockt sie zu einem Leben mit Gott.

Ich finde, so ein Rückblick gibt Mut und Zuversicht für das was kommt. Das gilt nicht nur für die Kirche. Das gilt auch für jede einzelne Lebensgeschichte. Und man muss auch nicht Geburtstag haben, um zurück zu blicken. Ich möchte Sie heute morgen dazu einla-den. Wahrscheinlich wird es in Ihrem Leben nicht ganz so extrem zugegangen sein wie in den 2000 Jahren der Kirche. Aber ich bin mir sicher, auch Ihnen fallen manche Geschich-ten ein. Geschichten von Freude und Leid. Von Glück und Schmerz. Vielleicht fallen Ihnen sogar Situationen ein, in denen Gottes Geist erkennbar mitgewirkt hat. Ich denke da an Situationen, in denen Undenkbares geschah – jemand wurde plötzlich gesund oder be-kam frische Kraft, jemand konnte einen neuen Weg gehen oder einem anderen verzei-hen.

So ein Rückblick kann einem neuen Mut geben. Viele schauen in diesem Jahr mit großen Sorgen in die Zukunft. Sie haben Angst und wissen nicht was kommt. Überall ist von Kri-se und von düsteren Aussichten die Rede. Ich lade Sie ein: Schauen Sie zurück und erin-nern Sie sich, wie gut so vieles gelungen ist. Das kann auch Kraft für die Probleme heute geben. So wie wir damals, als alle fast nichts hatten, miteinander geteilt haben – so kön-nen wir auch jetzt denen geben, die weniger haben. So wie für mich damals, als ich krank war, die Nachbarin eingekauft hat – so kann auch ich jetzt jemandem helfen. So wie wir als Familie schon manches miteinander durchgemacht haben – so können wir auch jetzt einander unterstützen.

Gott lässt uns nicht allein. Nicht am Geburtstag und nicht in Krisenzeiten. Er hat die Kir-che in ihrer langen Geschichte nicht verlassen, auch wenn sie manchmal von allen guten Geistern verlassen schien. Sein guter Geist wird auch Sie und mich begleiten in allem, was kommt. https://www.kirche-im-swr.de/?m=6105
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