SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Dr. Thomas Weißer.spricht mit dem evangelischen Bischof Dr. Johannes Friedrich, Landesbischof der evangelisch-lutherischen Kirche in Bayern, darüber, wie Menschen sich überhaupt verstehen können.

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Teil 1. Viele Sprachen – sich verstehen

In den Lagerschuppen am Bremer Europahafen schwirrt mir schon nach zehn Minuten der Kopf. Tausende von Menschen drängen sich durch die Räume, ein Durcheinander an Stimmen und Sprachen. Es ist Kirchentag in Bremen. Und es herrscht eine pfingstliche Atmosphäre. Hier treffe ich mich mit Dr. Johannes Friedrich, Landesbischof der evangelisch-lutherischen Kirche in Bayern. Hier erleben wir beide, dass Menschen in Kontakt miteinander kommen, sich verstehen, wie an Pfingsten. Ich überleg, was es braucht, dass sich Menschen in unserer globalisierten Welt wirklich nahe kommen, trotz Kultur - und Sprachgrenzen. Bischof Friedrich:

Wirkliches Verständnis, denke ich, kommt eigentlich erst dann, wenn man tatsächlich Begegnung mit Menschen hat. Also entweder wenn Schwestern und Brüder von dort hierher kommen oder wenn man dort hinfährt. Denn nur wenn ich mal dort war und sehe, wie die Menschen dort leben, dann habe ich auch Verständnis für die Situation. Und genauso wichtig ist, dass man die einlädt zu uns zu kommen.

Ein pfingstliches Plädoyer. Denn an Pfingsten geht es auch um Begegnung. Sicher, auf den ersten Blick überwiegt anders. Da haben sich die Jünger Jesu in einem Haus verbarrikadiert. Jesus ist weg – und sie wissen nicht, was sie jetzt machen sollen. Da kommt, so erzählt es die Bibel, der Geist Gottes über sie. Die Freundinnen und Freunde Jesu reißen Türen und Fenster auf, erzählen allen Menschen von diesem Jesus. Und das Merkwürdige: Egal, aus welchen Land die Leute kommen, welche Sprache sie sprechen, wie sie denken und leben, alle verstehen diese Botschaft.

Ich finde es eines der ganz wichtigen christlichen Feste, weil’s ne große Bedeutung hat, dafür dass Kirche nicht auf die Ortsgemeinde oder auch nicht auf die nationale Kirche beschränkt ist, sondern eine weltweite Kirche ist. Also in allen Sprachen, in allen Zungen.

An Pfingsten, so glaube ich, gelingt dieser Dialog. Menschen sprechen so miteinander, dass sie sich verstehen. Pfingsten ist also eine Vision von globaler Völkerverständigung. Für Johannes Friedrich steckt aber auch eine Handlungsanleitung in diesem Fest:

Man müsste daraus für heute die Folgerung ziehen, dass wir verpflichtet sind möglichst uns einzufühlen und einzudenken in die Situation der anderen Menschen. Das beginnt bei der Sprache. Aber viel wichtiger als die Sprache ist es zu merken, dass die Menschen ganz anders denken, fühlen, leben als wir und dass das genau seine selbe Berechtigung hat wie unser Denken, Fühlen und Leben. Auch wenn für einen Mitteleuropäer manches absonderlich vorkommen mag, man kann sicher sein, denen geht es mit uns genauso.

Sich-Verstehen bezieht sich also nicht nur auf die Sprache. Klar. Denn Jesus zog vor allem mit einfachen Bauern und Fischer vom Land über die Dörfer. Die konnten auch an Pfingsten nicht plötzlich Griechisch oder Latein. Aber sie sprachen so, dass sie verstanden wurden. Sich-verstehen, das ist allerdings nicht so einfach.

Ich denke, das Hauptproblem ist, dass wir ja geneigt sind, Menschen immer nach dem zu beurteilen, wie wir selbst leben und sind. Und wenn jemand aus dieser Norm, die wir täglich erleben rausfällt, dann das irgendwie abfällig zu beurteilen. Und meine Erfahrung ist eben, dass in verschiedenen Erdteilen ganz unterschiedliche Mentalitäten da sind, die dann auch das Leben, Denken und Fühlen bestimmen und dass es nicht ein besser und schlechter gibt.


Musik: Lambarena. Bach to Afrika, Sony Classical 1995, SK 64542, 5-099706-454229 Nr. 04 Herr, unser Herrscher (BWV 245 Nr. 1) 04:39


Teil 2. Viele Sprachen – ein Geist

Menschen sprechen viele verschiedene Sprachen. Davon erzählt das christliche Pfingstfest. Aber es bietet auch eine Utopie an: Dass Menschen sich trotzdem verstehen. Wie das geht, darüber habe ich mich mit dem bayrischen Landesbischof Dr. Johannes Friedrich unterhalten. Er orientiert sich bei seiner Suche nach Verständigung ganz konkret an Pfingsten.

Ich denke es ist ein schönes Beispiel für Einheit in versöhnter Verschiedenheit. Also, die haben ja offensichtlich weiter verschiedene Sprachen gesprochen und doch war eine Einheit zu spüren. Und das denke ich, kann uns Mut machen, darauf zu hoffen, dass der Heilige Geist uns hilft, dass wir bei aller Verschiedenheit, die wir haben, dass es doch eine versöhnte Verschiedenheit ist, in der wir einander akzeptieren, so wie wir sind, und dann weiter zur Einheit finden.

Damit sind wir nicht nur beim Verstehen allgemein. Sondern auch bei Frage: Wie können sich denn Christen verstehen? Vor gut einer Woche war ich, ein katholischer Christ, auf dem evangelischen Kirchentag in Bremen. Weil mich das Thema der Ökumene, der Einheit der Christen bewegt. Der evangelische Christ Friedrich hat da seine ganz eigene Position:

Ich bin ja ganz viel in ökumenischen Gesprächen und ärgere mich oft über Menschen in unserer Kirche, die – ich sag’s jetzt mal polemisch – die den Papst lutherisch machen wollen. Ich will ihn nicht lutherisch machen, ich will erst mal verstehen, warum Katholiken so denken und reden, wie sie es tun. Und gleichzeitig möchte ich natürlich auch, dass sie uns genauso, unser Denken genauso akzeptieren und anerkennen.

Ökumene und Pfingsten, so sehe ich das, haben viel miteinander zu tun. Nie darf es darum gehen, jemand anderem seine Sprache, sein Denken und Fühlen abzusprechen. Sondern vor allem: Sich verstehen, eine gemeinsame Sprache zu finden. Keine leichte Aufgabe. An Pfingsten kriegen die Jünger Jesu dabei Hilfe vom Heiligen Geist. Da hake ich ein. Mir ist dieser Heilige Geist oft viel zu abstrakt, zu allgemein. Wie stellt sich der evangelische Bischof diesen Geist vor?

Also ich glaube, das kann man nicht beschreiben, weil das etwas ist, was jeder anders empfindet. Ich hab nur in meinem Leben viele Beispiele meines eigenen Redens gespürt, wo ich meinte, dass ich selbst völlig unvollkommen gepredigt hab, geredet hab und plötzlich gehört hab, dass es bei anderen eine Wirkung, eine positive Wirkung gezeitigt hab, die ich überhaupt nicht verstehen konnte. Und wo ich sag: Das muss der Heilige Geist gewesen sein, der meine Worte so hat ankommen lassen, dass die Menschen dann etwas davon gehabt haben.

Aber dann hat Johannes Friedrich doch eine Beschreibung zu bieten. Eine, die gerade dann weiterhilft, wenn der Dialog mit anderen nicht weitergeht. Der Heilige Geist ist für Friedrich:

Etwas Unverfügbares, etwas Überraschendes, etwas was nicht in den eigenen Händen liegt.

Kurz: Der Heilige Geist ist ein Symbol auch dafür, dass ich nicht alles schaffen, erledigen und machen muss. Sondern dass ich auch darauf vertrauen kann, dass Gott sich mir zur Seite stellt, mich unterstützt.


Musik: Musik: Lambarena. Bach to Afrika, Sony Classical 1995, SK 64542, 5-099706-454229 Nr. 13 Was mir behagt ist die munter Jagd (BWV 208) 03:02


Teil 3. Wie vom Glauben sprechen

Anlässlich des Pfingstfestes unterhalte ich mit dem Landesbischof der evangelisch-lutherischen Kirche in Bayern, Dr. Johannes Friedrich. Mit ihm diskutiere ich auch über die Sprache des Glaubens.

Es ist ja eigentlich eine ständige Herausforderung und Aufgabe an uns, immer wieder neu zu überlegen, wie kann ich das, was mir wichtig ist an meinen Glauben, meinem Gegenüber klar machen und wie weit weiß ich, was der denkt und was der versteht.

Geschenkt. Aber die Sprache, die der 60-jährige spricht, unterscheidet sich schon von meiner, und die wieder von dem, was viele Jugendliche so sagen und wie sie es sagen. Ist überhaupt, so frage ich, die Sprache unserer Gottesdienste für alle zu verstehen? Kann es da überhaupt so etwas wie ein Pfingsten geben?

Ich glaube, dass die so genannte Predigtsprache, in die viele von uns ja immer wieder verfallen, von den Gemeindegliedern, die jeden Sonntag in den Gottesdienst kommen, schon verstanden wird. Aber damit gewinne ich natürlich keine neuen Leute. Also deswegen glaube ich, muss man einfach immer ganz genau überlegen: Zu wem rede ich, wen will ich jetzt erreichen? Und muss meine Sprache ganz deutlich daraufhin abheben.

Auch da gilt: Wir können uns bemühen. Aber Pfingsten erzählt eben auch davon, dass es nicht nur an den Jüngern liegt. Sondern dass eben der Geist Gottes hilft, so zu sprechen, dass alle verstehen können. Und vielleicht ist das das eigentliche Wunder an Pfingsten. Dass sich alle auf diesen Geist eingelassen haben. Für Bischof Friedrich ist damit eine ganz konkrete Aufforderung verbunden.

Ich denke, man soll dem Wirken des Heiligen Geistes keinerlei Riegel vorschieben. Ich denk manchmal, das Wichtigste, was wir tun können als Kirchenleute ist, möglichst dem Heiligen Geist keine Hindernisse in den Weg zu setzen. Ich glaube, wenn wir das schaffen, dann ist schon ganz viel passiert.https://www.kirche-im-swr.de/?m=6087
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