SWR2 Wort zum Tag

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Meine Kinder spielen gerne Puzzle. Stück für Stück die Einzelteile zusammensetzen bis das Ganze ein Bild ergibt. Manchmal habe ich den Eindruck, sie bringen bei diesem Spiel auch ihre innere Welt wieder in Ordnung – etwa wenn sie nach einem turbulenten Kindergartenvormittag zu Hause erst mal ein Puzzle machen.
Dieses Spiel rührt eine tiefere Sehnsucht an: aus vielen Teilen soll ein sinnvolles Ganzes entstehen. Das hoffe ich auch für mein Leben, dass sich die vielen Erlebnisse und Erfahrungen, die ich tag-täglich mache, zu einem Ganzen zusammenfügen. Dass sich ein Sinn ergibt und nicht alles nur Zufall und blindes Schicksal ist.
Wer ein Puzzle zusammensetzen möchte, braucht ein Bild, an dem er sich orientieren kann. Gibt es so ein Leit-Bild für mein Leben, das mir helfen könnte, meine Erfahrungen einzuordnen? Oft werden mir meine Leitbilder erst dann bewusst, wenn ich merke, dass sie nicht mehr passen. Etwa das Selbstbild, dass ich doch alles gut unter einen Hut bringen müsste, Kinder, Beruf, Haushalt, Partnerschaft und Freundschaften und möglichst noch die persönlichen Interessen. Vielleicht gibt es ja zu viele Teile, die gar nicht mehr alle in den Rahmen hineinpassen. Gibt es in meinem Lebensbild auch eine Ecke für die Enttäuschungen und Frustrationen und die ungelebten Träume? Oder habe ich nur fröhliche Farben vorgesehen?
Wozu sind wir auf Erden? Diese alte Katechismusfrage stellt sich immer wieder, und in jeder Lebenssituation fällt die Antwort anders aus.
Einen, den diese Frage auch umgetrieben hat, war der Apostel Paulus. Seinen Glaubensbrüdern und Schwestern in Korinth schreibt er: „Jetzt schauen wir in einen Spiegel und sehen nur rätselhafte Umrisse. Denn unser Erkennen ist Stückwerk.“ (1Kor 12) Auch er hatte nicht für alle Situationen die passende Antwort. Aber er war vom Glauben durchdrungen, dass es einen gab, der sein mühsames Ringen sah, der ihn und seinen Lebenssinn erkannte, lange bevor er sich selbst erkennen konnte: Jesus Christus. In ihm hatte er sein Leitbild gefunden. Sein Leben, Sterben und Auferstehen war für Paulus zum Rahmen geworden, in dem er seine eigenen Erfahrungen deuten konnte.
„Jetzt sehen wir nur rätselhafte Umrisse, dann aber schauen wir von Angesicht zu Angesicht.“ Eine Hoffnung, die mich ermutigt, meinem Lebenssinn auf die Spur zu kommen.

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