SWR2 Wort zum Tag

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„Mensch – wo bist du?“ lautet die Losung des diesjährigen Deutschen Evangelischen Kirchentags in der Hansestadt Bremen. Es ist ein Wort aus der biblischen Schöpfungserzählung, genauer aus der Geschichte von Adam und Eva im Paradies, von der Schlange und dem Sündenfall.
Nachdem Adam und Eva auf Einladung der Schlange hin von der Frucht des verbotenen Baumes gegessen hatten, erkannten sie ihre Nacktheit. Sie schämten sich und verbargen sich vor Gott. Und Gott suchte nach seinen Menschen und rief ihn, den Mann: „Adam, wo bist du?“
So erzählt es der Mythos. Weil es ein Mythos ist, müssen wir seine Wahrheit symbolisch verstehen: Es geht um den Menschen, um sein Dasein, seine Natur. Darauf verweist bereits der „Name“ des Protagonisten, der in Wirklichkeit gar kein Name ist. „Adam“ heißt im Hebräischen „Mensch“. Daher ist die Übersetzung der Kirchentagslosung durchaus treffend.
Es geht um den Menschen, um seine Selbstbestimmung und um seine Verführbarkeit. Der Mensch versagt im Gebrauch seiner Freiheit. Er nimmt seine Freiheit in Anspruch, folgt dabei aber nicht dem, was für ihn und die Schöpfung gut wäre. Vielmehr sucht er seine Freiheit immer weiter auszudehnen, zu entgrenzen, ja zu übersteigern. Freiheit erscheint ihm nicht an einem Maß, sondern nur in der Entgrenzung sinnvoll. – So könnte man den Mythos heute lesen: Die maßlose Entgrenzung der Freiheit ist des Menschen Versagen.
Der Mensch ist keineswegs als Marionette geschaffen – willenlos, fremdbestimmt, unfrei. Daran lässt die Schöpfungserzählung keinen Zweifel. Aber des Menschen Freiheit ist nicht absolut, sondern sie steht in Verhältnissen. Der Mensch soll den Garten Eden bebauen und bewahren – das ist seine Aufgabe. Und er soll dies in partnerschaftlicher Weise und in der Verantwortung vor Gott, dem Schöpfer, tun.
Im Taumel seiner entgrenzten Freiheit gewinnt der Mensch Einsicht in sein Versagen und schämt sich. Der Mythos sagt: Er erkennt seine Nacktheit. Um seinen Makel zu verbergen, versteckt er sich. Doch Gott lässt ihm diese Ausflucht nicht zu. Er erinnert ihn an seine Verantwortung und stellt ihn damit auch vor sich selbst. Nur verantwortete Freiheit ist wahre Freiheit.
Dass wir in Zeiten entgrenzter menschlicher Freiheit leben, bedarf keines aktuellen Kommentars. Angesichts unseres nur auf Steigerung und Ausbeutung zielenden Lebenswandels bricht die Frage nach verbindlichen Maßregeln neu auf: Wie können wir nachhaltig mit den natürlichen Ressourcen dieser Erde umgehen? Wie können wir menschliche Arbeit angemessen bewerten? Wie lernen wir wieder, Kapital als Medium und nicht als Zweck zu begreifen? Das sind Themen nicht nur für einen Kirchentag.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=6048
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