SWR2 Wort zum Tag

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„Revolution auf dem Acker“ – diese Schlagzeile* ließ mich vor kurzem aufmerken.
Darüber ein gänzlich unspektakuläres Bild: ein weites Feld, grün so weit das Auge reicht, im Vordergrund fünf Männer in Jeans und Windjacken. Einer zeigt mit dem Finger auf den Boden. Gespannt ist der Blick der Anderen auf diese Stelle gerichtet. Ich erkenne nichts – auch nicht bei näherem Betrachten: Nichts als Erde und ein paar verdorrte Grashalme. Erst die Bildunterschrift erklärt mir diese unscheinbare „Revolution auf dem Acker“. Es ist ein Weizenfeld, das nach der Methode der Direktsaat angebaut wird. „Direktsaat“ heißt: Anbau ohne Pflügen und Fräsen. Das spart Arbeitszeit und Diesel. Speziell dafür entwickelte Sämaschinen werden eingesetzt, die die Saat in den nicht bearbeiteten Boden ablegen.
Diese Anbaumethode – heißt es – funktioniere nahezu überall - bei hohen Niederschlägen in Brasilien mit zwei Ernten im Jahr genauso gut wie in nordamerikanischen oder indischen Trockengebieten. Erfahrungen aus Südamerika und der Schweiz belegen sogar: die Erträge steigen langfristig.
Kaum zu glauben – dort, wo nicht gepflügt wird, soll der Weizen besser gedeihen? Das tiefe Pflügen mit großem Gerät schade den Kleintieren im Boden. Und eben das ist auch, was die fünf Landwirte so fasziniert in den Blick nehmen: ein für mich als Laien nicht erkennbarer Wurmhaufen. Die wachsende Zahl der Regenwürmer lockert den Boden – Ernterückstände und Zwischenfrüchte bauen den Humus auf. Die Bodenerosion wird gestoppt.“

Bei der Methode der Direktsaat kommt mir unweigerlich Jesu Gleichnis von der selbst wachsenden Saat in den Sinn. Jesus spricht von der Saat, die auf fruchtbaren Boden fällt und hundertfache Frucht (Lukas 8,8)bringt. 100 fache Frucht, das ist übrigens nicht außergewöhnliches und keine Übertreibung. Das ist eine zu Jesu Zeiten in Israel erreichte Erntequote. Ohne gigantische Landmaschinen, die den Boden tief umpflügen.

Nur ein Märchen aus uralten Zeiten? Offenbar nicht. Ich kann freilich nicht wirklich beurteilen, wie erfolgreich diese neue „alte“ Methode einmal sein wird. Und ich weiß auch, wie schnell Technik einmal religiös verteufelt - und ein anderes Mal zum Heilsweg verklärt wird. Aber das berührt mich und erfüllt mich mit Hoffnung: Wie Landwirte, die derzeit so oft als Umweltsünder an den Pranger gestellt werden - eine Anbautechnik entwickeln: nicht gegen, sondern mit den Kräften der Natur. Sie nutzen ihren Verstand für eine unscheinbare Revolution – für ein Bebauen und Bewahren der Schöpfung mit Zukunft.

*Mario Beisswenger, Revolution auf dem Acker,
in: Schwäbisches Tagblatt – Donnerstag, 30. April 2009, S. 23.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=6028
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