SWR2 Wort zum Tag

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Im Gedenkjahr für Charles Darwin und seine Forschungen zur Evolutionstheorie denke ich nach über das Verhältnis von Glaube und Naturwissenschaft. Beide scheinen gegensätzlich. Die Wege des Erkennens sind verschieden, die Welt wird auf unterschiedliche Weise betrachtet, und der Glaube verwendet auch andere Namen und Worte als die Naturwissenschaft.
Der nicaraguanische Dichter und Theologe Ernesto Cardenal hat versucht, in einem Text, einem Gebet, beides zusammenzubringen.
In seinen poetischen Gedanken zu Psalm 104 schreibt er:
„Herr, mein Gott, du bist groß. Du bist in Atomenergie gekleidet wie in einen Mantel. Wie auf einer Töpferscheibe hast du aus einer Wirbelwolke kosmischen Staubes die Spiralen der Milchstraße gezogen.“ Und später heißt es im selben Text: „Das Zusammenspiel von Wasser und Licht erzeugte das erste Molekül, die erste Bakterie teilte sich.“ Cardenal verwendet bewusst die wissenschaftlichen Begriffe für die verschiedenen Erdzeitalter: „Im frühen Kambrium erschien die erste glasige Alge, von Sonnenenergie ernährt.
Durchsichtige Geißeltierchen bewegten sich und pflanzten sich fort. Das ist der Ursprung von allem, was heute lebt.“
In Worten wie mit dem Pinsel geschwungen beschreibt Cardenal die Entstehung der Pflanzen- und Tierarten. Wie im Silur die ersten Scherentiere und Raubfische auftauchten, wie im Devon die Wasserpflanzen Stängel und Blätter entwickelten und wie im Mesozoikum die ersten Säugetiere entstanden.
„Und zu Anfang des Quartärs erschufst du den Menschen.“ So endet der Reigen der Schöpfung, und der Text endet im Lobpreis: „Ich werde den Herrn preisen, solange ich lebe - ich werde ihm Psalmen schreiben - meine Lieder sollen ihm Freude machen.“
Mich fasziniert dieser Text, weil ich als moderner Mensch nicht die Erkenntnisse der Wissenschaft leugnen kann und will. Und weil hier ein religiöser Mann das zusammenbringt, was auch in meinem Glauben zusammengehört.
Die Evolution hat die Entwicklung der Pflanzen- und Tierarten so rasant vorangebracht, dass ich nur voller Ehrfurcht und Begeisterung darauf blicken kann. Übrigens auch die Entwicklung des Menschen, der sogar mit der Fähigkeit ausgestattet wurde, über das Werk seines Schöpfers zu staunen. https://www.kirche-im-swr.de/?m=5992
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