SWR3 Gedanken

SWR3 Gedanken

Zehn Uhr vormittags: im ganzen Land heulen alle Sirenen. Auf Autobahnen und Landstraßen halten die Autos an. In Fußgängerzonen und Kaufhäusern, in der Landwirtschaft und in Fabriken und Büros: das ganze Land bleibt stehen, zwei Minuten lang. Ein Tag und ein ganzes Land als lebendiges Denkmal. Es hält die Erinnerung lebendig an sechs Millionen ermordete jüdische Menschen. In Israel ist das per Gesetz geregelt. Das Volk der Opfer hält die Erinnerung wach an die Schwestern Brüder Väter Mütter Kinder, die das Nazi-Regime im deutschen Namen geschändet und getötet hat – und bewahrt sie so vor der endgültigen Vernichtung. Deutschland gedenkt am 27. Januar der Opfer dieser systematischen Juden-Vernichtung. Erst seit wenigen Jahren so ausdrücklich. Klar, dies ist das Volk, in dessen Namen das alles geschehen ist. Viele haben mitgemacht – Sie und ich nicht, dazu sind wir zu jung. Aber in den Generationen vor uns hat sich viel Schuld angesammelt…
Wahrscheinlich ist es richtig, dass auch wir heutigen Deutschen dem jüdischen Volk besonders verpflichtet sind: in diesem Land hat das ganze Unheil schließlich angefangen.
Wer heute lebt, hat keine Schuld – aber es ist doch wohl unsere Pflicht und Schuldigkeit,
dass jede und jeder sich auch der Verantwortung stellt, die mit der Erinnerung verbunden ist:
So etwas darf nie wieder passieren. Nicht in meinem Namen, nicht im Namen dieses Landes und dieses Volkes, nicht im Namen einer angeblich besonderen „Rasse“. Und damit es nie wieder passiert, oder damit es gleich wieder aufhört,wo es doch schon wieder angefangen hat, nicht nur in Ostdeutschland – deswegen muss es diesen 27. Januar geben: den Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus und irgendwie ja auch für die Täter und ihre Schuld.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=590
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