Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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„Wir alle könnten von einem Tag auf den anderen im Rollstuhl sitzen.“ Das hat mir der Kabarettist Dieter Hildebrandt gesagt. Ich hatte ihn gefragt, warum er mit seinen 81 Jahren sich immer noch so viel sozial engagiert. Und er sagte „Wir alle könnten von einem Tag auf den anderen im Rollstuhl sitzen.“ Und dabei hat er gelacht.

Wenn die Kirchen diese Woche zur „Woche für das Leben“ ausrufen, dann werben sie um diese Gelassenheit. Denn das Motto in diesem Jahr lautet: mit Grenzen leben. Die eigenen Grenzen mal anschauen. Akzeptieren, was ist. Zum Beispiel die Vorstellung: Ich könnte jederzeit auch im Rollstuhl sitzen. Natürlich, keine angenehme Vorstellung. Und man fragt sich, wofür das gut sein soll. Warum sich einen Kopf machen? Reicht das nicht, sich damit zu beschäftigen, wenn es einen wirklich erwischt hat?

Einmal wollten die Jünger, nur so theoretisch von Jesus mal wissen, warum der eine da, der Behinderte, überhaupt behindert ist. Wenn der arme Kerl so vom Schicksal gestraft ist, dann muss da doch auch was schief gelaufen sein. Vielleicht hat er sich falsch ernährt oder seine Mutter hat Drogen genommen. Von nichts kommt doch nichts.

Aber Jesus merkt sofort, wo der Hase im Pfeffer liegt. Dass sie sich mit ihrer Frage den Behinderten eigentlich vom Hals halten wollen. Nach dem Motto: Also mir würde das nicht passieren, ich mach Sport und ernähre mich immer richtig.

Jesus biegt ihre Frage um. Nach vorne. Macht aus dem Warum ein Wozu. Wozu ist der Behinderte da gut? Was ist der Sinn von so einem Leben?
Und Jesus sagt: An ihm, diesem scheinbar armen Kerl, kann man Gottes Herrlichkeit begegnen.
Ja, Gottes Herrlichkeit. Keine Herrlichkeit im Sinn von makellos schön, perfekt und durchtrainiert. Eine andere Herrlichkeit. Eine, die Menschen lachen lässt. Eine, die die Angst nimmt. Angst vor dem Alleinsein, vor dem Angewiesen sein auf Andere, vor Tod und Teufel. Das ist die Herrlichkeit Gottes. Sie macht gütig und gelassen. Sie verbindet den berühmten Kabarettisten mit dem unbekannten Rollstuhlfahrer. Sie versöhnt uns mit unseren Grenzen.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=5889
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