SWR2 Wort zum Tag

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21 Tote in gerade mal 6 Wochen, nicht irgendwo weit weg sondern ganz in der Nähe: in Winnenden, in Eislingen, in Bad Buchau. Was ist bloß los mit den Jugendlichen, vor allem mit den Jungs?
Antworten weiß ich auch keine, ich kenne ja keinen der Täter persönlich. Und sicher ist jeder anders. Aber muss man nicht jedenfalls ein bisschen präziser fragen? Eben wirklich fragen und nicht bloß sich entrüsten: was ist bloß los mit den Jungs?
Drei Dinge sind mir in den letzten Tagen aufgefallen, daraus könnten vielleicht genauere Fragen werden. Das erste war ein Zeitungsbericht über jugendliche Straftäter. Einer hat vor 10 Jahren mit 17 einen anderen niedergestochen. Aus eigentlich nichtigem Anlass. Jetzt sagt er, dass er damals keine sinnvolle Beschäftigung hatte, keine Ziele „Ich wollte nur Respekt, so schnell wie möglich.“ (DIE ZEIT, Nr 17, 16.4. 2009, S. 16) Respekt: eine andere Vorstellung hatte er nicht vom Leben. Und ich frage mich: Wer gibt denn den jungen Menschen Vorstellungen und Ziele, für die es sich lohnt zu leben und zu arbeiten?
Dann denke ich an Tessi. Tessi ist siebzehn. Sie hat gerade die Realschule abgeschlossen Ich habe sie gefragt was sie denn werden möchte. „Krankenschwester,“ hat sie geantwortet, „oder Kindergärtnerin. Das würde mir bestimmt Spaß machen.“ Ihre Augen haben richtig geleuchtet dabei. „Aber mein Vater hat gesagt, das ist nichts. Da verdient man zu wenig!“ hat sie dann noch erzählt. Jetzt geht sie auf eine weiterführende Schule, da lernt sie BWL. „BWL ist schwer“, sagt sie. „Wahrscheinlich falle ich bei der Prüfung durch Ich hab gar keine Lust, zu lernen.“ Kein Wunder, denke ich mir. Wahrscheinlich geht es vielen Jungs ganz ähnlich wie ihr. Und ich frage mich: Was für Ziele sind das, die wir Eltern den jungen Leuten vermitteln? Was sehen sie bei uns, worauf es ankommt?
Und dann fällt mir der Psychologe ein, der sagt, viele Jugendliche lebten in einem „Versorgungsparadies“, mit Playstation, Markenklamotten und verständnisvollen Eltern. Wenn sie merken, dass das nicht ewig so bleiben kann, dann haben sie kein Bild von dem, was aus ihnen werden kann. (Focus, Nr 16, 11.4.09, S. 142)
Versorgungsparadies – auch das Wort wird zur Anfrage an uns Eltern, an Lehrer und Erzieher, finde ich. Das Paradies ist nämlich eigentlich ja nicht das Schlaraffenland. Wenn ich die Bibel richtig verstehe ist das Paradies da, wo die Menschen einen Auftrag bekommen. Den Auftrag, ihre Welt zu bebauen und zu bewahren – jeder mit seiner Begabung. Ich glaube, das würde auch den Jungs Spaß machen. Vielleicht müssten wir mit ihnen suchen, wo sie einen Platz dafür finden.
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