Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Dass jemand ihrer Mutter etwas zu leide tun würde, das war für sie unvorstellbar. Ihre Mutter war sehr geachtet, sie war eine Frau voller Lebensfreude und Güte. Doch das Unvorstellbare geschah: Die alte Frau wurde brutal ermordet. Für die Tochter war das ein Schock. Doch das Grauen war damit noch nicht zu Ende. Über 20 Angehörige ihrer Familie wurden in den nächsten Wochen umgebracht. All das ist jetzt genau fünfzehn Jahre her. Im April 1994 begann der Völkermord in Ruanda. In nur wenigen Monaten wurden 800.000 Menschen ermordet. Die Frau, die fast ihre gesamte Familie verlor, heißt Eugenie Musayidire. Die Frau aus Ruanda blieb deshalb am Leben, weil sie damals schon seit Jahren in Deutschland lebte. Doch die Ermordung ihrer Mutter und ihrer Verwandten riss die ruandische Frau aus ihrem normalen Leben. Sie brach zusammen. Nur mit psychotherapeutischer Hilfe gelang es ihr, ihre Trauer zu verarbeiten. Erst sieben Jahre nach den furchtbaren Ereignissen war sie stark genug, um wieder in ihr afrikanisches Heimatland zu reisen. Was sie in Ruanda sah, war unglaublich. Überall begegnete sie traumatisierten Menschen. Sie hatten mit eigenen Augen miterlebt, wie ihre nächsten Angehörigen ermordet wurden. Oder sie waren Zeuge geworden, wie ihre eigenen Eltern selbst zu Mördern geworden waren. Viele von ihnen waren noch sehr jung. Um ihre Traumata kümmerte sich keiner. Niemand half ihnen, mit ihren Ängsten und Depressionen fertig zu werden. Frau Musayidire ließ das Schicksal dieser Menschen keine Ruhe. Im Jahre 2003 beschloss sie, ihre gesicherte Existenz in Deutschland aufzugeben. Sie ging zurück nach Ruanda. Mit kirchlichen Geldern baute sie ein Therapiezentrum auf. Denn sie hat es am eigenen Leib erfahren: Es ist so wichtig, über die furchtbaren Erlebnisse sprechen zu lernen, um wieder Freude am Leben zu haben.

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